Durch Nervenkrieg zum Lohnverzicht

■ Bauer-Verlag: Entlassungen, wenn Lohnkürzungen nicht akzeptiert werden? Von Kai von Appen

Versucht der Heinrich Bauer-Verlag mit einem inszenierten Psychokrieg die Mitarbeiter der Zentralen Programmredaktion dermaßen einzuschüchtern, daß sie Tarifflucht und eine Lohnsenkung von 800 Mark in Kauf nehmen? Diese Vermutung drängt sich dem Betriebsrat im Konflikt um die Zukunft der Abteilung auf. Betriebsrätin Kersten Artus: „Im Betrieb tobt der Bär. Es findet ein unglaublicher Nervenkrieg statt.“

Zur Vorgeschichte: Vor vier Wochen wurde den 16 Mitarbeitern der Programm-Redaktion mitgeteilt, daß ihre Abteilung nicht mehr effizient arbeite und die Kosten drastisch gesenkt werden müßten, sonst würde der Bauer-Verlag die Erstellung der Hörfunkprogramme an eine Fremdfirma vergeben.

Der Chef der Programmredaktion, Holger Hansen, früher Unternehmensberater des Bauer-Managements, konfrontierte seine Mitarbeiter daraufhin mit einem ungewöhnlichen Vorschlag: Durch die Umgruppierung der Redakteure – allesamt Ex-Schriftsetzer, die nach dem Rastertarifvertrag wegen des Wegfalls ihrer Arbeitsplätze zu Redakteuren umgeschult worden waren – als Angestellte, die nicht journalistisch arbeiten, sollten 800 Mark Gehalt pro Person eingespart werden. Der Betriebsrat stellte sich aber quer und widersprach den Umgruppierungsanträgen. Kersten Artus: „Die Drohung der Auslagerung hat sich nicht bewahrheitet. Das sollte nur als Druckmittel eingesetzt werden.“

Jetzt zückte die Unternehmensleitung den nächsten Joker: Sie zog für die 16 Redakteure einen Sozialplan aus der Tasche und drohte die Kündigung an. Gleichzeitig verdichteten sich Informationen, daß Bauer die Ausgliederung betreibt, um die Programme künftig „in einer betriebsratslosen Minifirma zu Billiglöhnen“ herstellen zu lassen.

Ein derartiges Vorgehen hätte bereits Tradition. Seit Mitte der 70er Jahre wird nämlich der größte Zeitschriftenkonzern Europas systematisch in kleine Firmen zerstückelt. So gibt es heute Kommanditgesellschaften für den Anzeigenbereich, Vertrieb, EDV, Abonnement-Verwaltung und die Technische Produktion. Zur letzten Verselbständigung, so der Betriebsrat, gehört der Heinrich Bauer Programmzeitschriftenverlag, der die Flaggschiffe „TV Hören und Sehen“, „TV Movie“ „TV Klar“ sowie „Auf einen Blick“ herausgibt. Vor zwei Jahren wurden diesen Redaktionen die Programm-Ressorts entzogen und in der Programmredaktion vereint.

Obwohl der Betriebsrat derzeit unter Druck gerät, geben sich die BelegschaftvertreterInnen hart. Kersten Artus: „Die Kollegen rennen uns die Bude ein, wollen die Umgruppierung akzeptieren, wollen ihre Arbeitsplätze behalten, aber“, so die Betriebsrätin, „es geht um mehr als Arbeitsplatz- und Besitzstandssicherung. Hier wird eine neue Qualität der Firmenpolitik erreicht.“ Denn einerseits werden den Mitarbeitern bei Lohnverzicht mündlich Arbeitsplatzgarantien gegeben, andererseits weigert sich das Unternehmen beharrlich, einen Haustarif abzuschließen.

Zwischen Betriebsrat und Konzernspitze herrscht derzeit Funkstille. Der Betriebsrat: „Konzernleitungsmitglieder sind weder telefonisch noch schriftlich zu erreichen. Ob die Arbeitsplätze im Bauer-Konzern zu retten sind, weiß angeblich niemand.“ Auch der taz war es gestern nicht möglich, eine Stellungnahme zu bekommen.