Wand und Boden
: Im Prinzip Handwerk, in der Regel Kunst

■ Kunst in Berlin jetzt: Ilja Kabakow, Silvia Breitwieser und Armando

Erweist der Maler K. Sonnhaffen, der die „Installation“ als eine „Verschwörung der Nichtkönner“ entlarvt, dem armen Herrn Rubinstein damit einen Gefallen? I. Rubinstein, ebenfalls Maler, hat seine in der Galerie Barbara Weiss ausgestellten, recht hübschen Bilder in der Art des sozialistischen Realismus eigenhändig mit der Axt malträtiert. Sah er die Sache vielleicht ähnlich wie der junge, aber schon ziemlich bekannte Kunstkritiker Jan L.? Der befand, als er das Werk der Zerstörung sah, dieses sei eines der Vollendung, nämlich „eine vorzügliche Installation“? Und so sicherte man den vermeintlichen Unfallort mit einem Geländer. Auf einem Tisch daneben wurde eine Erklärung ausgelegt. Der Besucher kann es sich auf einem Stuhl bequem machen und, wie im Gästebuch ersichtlich, seine Sicht über das „Prinzip Handwerk“ und seinen Niedergang in der Gegenwartskunst darlegen. Dieser Debatte hat sich ja erst kürzlich die Frankfurter Allgemeine Zeitung angenommen. Frank Schirrmacher zitierte Ezra Pound, der T.S. Eliot ins Stammbuch geschrieben haben soll: „Sag, was du meinst, oder sag gar nichts.“ Da fällt Ilja Kabakow bei Pound und FAZ glatt durch. Denn er spricht bekanntermaßen gerne in vieler (kleiner) Leute Namen und liefert Rollentexte, die jede Debatte als das ganz gewöhnliche Skandalon von Meinungen und Deinungen zeigen. Soll man annehmen, er, Kabakow, spräche in dieser Inszenierung bei Barbara Weiss tatsächlich über den Verlust der klar definierbaren künstlerischen Intention? Oder über die Auflösung der Identität des Autors, oder darüber, daß „ein Werk vollständig von denjenigen gemacht wird, die es betrachten“ (Marcel Duchamp)? „Die Verzweiflung des Künstlers oder Die Verschwörung der Untalentierten“ ist vielstimmig orchestriert; sie stellt Handwerk aus – und auch bloß; sie ist sinnlich-materialreich, von den beschädigten Gemälden über die Glassplitter bis zu den Gedankensplittern des Diskurses, in dem die autoritäre Stimme, die zur Ordnung ruft und das Regelwerk beschwört, eine Stimme unter anderen ist. Als solche richtet sie genausowenig Schaden an, wie die Axt im Haus des Künstlers, die doch eh nur zu so modischen Installationen mit Text führt.

Bis 23.4., Mo-Fr, 12-18 Uhr, Sa 11-14 Uhr, Potsdamer Str.93, Tiergarten.

Besseres Handwerk, dort wo es gefordert ist, etwa beim Aufziehen und Rahmen von Fotos, wäre manchmal trotzdem vonnöten. Silvia Breitwieser sollte sich einen anderen Handwerker suchen, denn ihre Fotoarbeiten wellen sich in den Rahmen. Bei „Liquid Square“ (1988/92) ahnt man gerade noch das Beton-Stadtmöbel in der Eckform eines Wasser-Bassins. Vierfach gedreht und gewendet gerät sie zum schwarzumrandeten Rhombus, in dessen Mitte sich ein merkwürdiger Lackfolienglanz nach außen zu spannen scheint. Das „merkwürdige Cycling und Recycling zwischen Objekt, Installation und Bild“ ist die Methode, das dokumentarische Foto so in die Konkretion zu treiben, daß es in der Bildinstallation als pures Raster die Bildoberfläche unter solch subtile Spannung setzt, daß sie sanft in die dritte Dimension der Tiefe oder Erhabenheit atmet.

Sog und Wölbung bestimmen auch die „Vexierbilder“ (1992/93), die Silvia Breitwieser einem Architekturdetail der Sarkower Kirche von Ludwig Persius abgewinnt. Das Foto eines Bogengangs zwischen fester, ornamentierter Wand und lichtdurchfluteter Säulenreihe wird gekontert zusammengesetzt, vier Bildkanten ergeben vier Symmetrieachsen und maximal vier Variationen. Die regelmäßig vervierfältigte Form und Farbe sowie das vervierfältigte Licht und sein Schatten führen in den paradoxen Anschein eines sich endlos fortpflanzenden fraktalen Musters. Das klassische Tafelbildthema Landschaft wird durch das Prinzip der seriellen Spiegelung destruiert. „Weltbild“ (1993), die in die Vertikale gedrehte horizontale Verlaufsform einer Hügelkette, wird sequentiell gekontert aneinandergehängt und an ihrer langen Symmetrieachse gespiegelt: Die entstandene Foto-Säule erscheint einmal als negative, einmal als positive Form. Die herz- oder lanzenförmig eingebuchtete Terrakotta-Raute auf hellblauem Grund, die die Wand der Sakrower Kirche in regelmäßigen Bändern schmückt, wird im Fotoquadrat flächig ausgelegt: „Blue German Flowers“ (1993), die romantische Sehnsuchtsformel von der blauen Blume verliert mit ihrer Linearität ihren Verweis auf einen offenen Horizont. Statt dessen umschließt sie herrisch das Gesichtsfeld.

„BILDLOS“, bis 20.4., Mi-Fr, 16-18 Uhr, Fraunhofer-Institut, Pascalstraße 8-9, Tiergarten.

Gesichtsfeld und Gefechtsfeld, die Begriffe kommen bei Armandos „Gefechtsfeld“-Serie zur Deckung. In riesigen Formaten von zwei mal drei Metern widmet er sich mit seiner gestischen Malerei der „Feindbeobachtung“, wie ein anderer Bildtitel lautet. Der Feind waren die deutschen Besatzer in Holland im Zweiten Weltkrieg. Dort, wo er aufwuchs, lag das Konzentrationslager Amersfoort ganz in der Nähe. Schrecken und Terror sind das Thema seiner Kunst. Arbeiten aus den letzten fünf Jahren zeigt derzeit der Neue Berliner Kunstverein in seinen neuen Räumen in der Chausseestraße. „Die Leiter“, „Das Tier“, „Das Rad“, „Die Fahne“, „Der Kelch“ sind seine an der Hand abzählbaren Bildelemente, die in flächiger Abstraktion als archetypische Formen und Objekte des Opferrituals zu deuten sind. Das strikte Schwarzweiß seiner riesigen Ölbilder erinnert an die Sträflingskleidung der KZ-Insassen, die rote Farbe, die hin und wieder fließt, muß Blut sein. „Der Kelch“ es aufzufangen steht in Form verschiedener Bronze-Skulpturen bereit. Wagt man den Blick über den Rand, fällt er in bodenlose Schwärze. Feindselig ist der Gestus gegenüber dem Betrachter durchaus, der halluzinatorische Ausdruck der „Köpfe“, die zwischen 1988 und 1990 entstanden, versetzt in Angst und Schrecken. Aber Großartigkeit wird sich der Betrachter ebenfalls zubilligen müssen; die Wucht der Bilder zielt deutlich auf ihn, der damit selbst grandios wird. Das gestische Pathos von Armandos Malerei ist eine aggressive Weise der Verführung: „Das Böse ist nicht mehr das Böse, es ist die Kunst“, sagt Armando. Brigitte Werneburg

Bis 1.5., Di/Do, 12-20 Uhr, Mi/Fr, 12-18 Uhr, Sa 12-16 Uhr, Chausseestr.128/29, Mitte; Bilder und Skulpturen ab 1953 im Haus am Waldsee, Di-So 10-18 Uhr, Argentinische Allee 30, Zehlendorf.