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Hochsicherheitstrakte für Touristen?

■ taz-Podiumsdiskussion „Gewalt gegen Urlauber“ auf der Tourismusbörse

Die Vision gefällt den geladenen Tourismusexperten ganz und gar nicht: Müssen Reisende in der Türkei, Ägypten oder in Florida „künftig von Polizei-Eskorten am Flughafen abgeholt und in ihre Feriendomizile geleitet werden, um möglichen Anschlägen zu entgehen“? Die Frage der taz-Reiseredakteurin Edith Kresta an die Podiumsrunde „Gewalt gegen Urlauber“ auf der ITB in Berlin provoziert empörte Dementis.

Erstens, so der Leiter des Verbandes türkischer Reiseveranstalter in Berlin Erkan Öztas selbstgefällig, gibt es in der Türkei („Ich will hier nur von den Tatsachen sprechen“) keinerlei Gefahren für Touristen. Deshalb sei es zweitens auch geradezu absurd, von „Hochsicherheitstrakten“ für Urlauber zu sprechen. Den Beweis liefert er gleich mit. In türkischen Gefilden hat der in Berlin lebende Öztas unlängst einen Touristen entdeckt, der unbehelligt zwei Monate „zwischen Bäumen in der Hängematte“ nächtigte.

Mit dem Diskussionsthema kann der Mann nicht viel anfangen. Im übrigen sollten sich die Deutschen „mehr um die eigenen Sachen kümmern“. Er fürchte sich in Berlin mehr vor Gewalt als in der Türkei. Öztas leidet unter der Abwesenheit der angekündigten Podiums-Mitstreiter aus Kairo und Miami. Der ägyptische Tourismusminister El-Beltagui hat, wie kurzfristig ausgerichtet wird, „aus politischen Gründen abgesagt“.

Leer blieben auch die Stühle für die beiden angekündigten Amerikaner. Der Bürgermeister aus Miami, Steve Clark, sowie Carlos Migoya von der Initiative „Miami gegen Gewalt“, waren in letzter Minute verhindert. Dadurch bleibt Florida völlig aus dieser Diskussion draußen. Trotz ihres in den Medien breit angekündigtem Maßnahmenkatalogs gegen Gewalt.

Die TUI hingegen war präsent. Hochrangig vertreten durch ihren Service-Direktor Günther Ihlau, laviert der Reisekonzern zwischen kommerziellen Interessen und Sicherheitserwägungen. Man könne dem aufgeklärten Kunden schließlich nicht die Entscheidung über das Urlaubsziel abnehmen. „Es gibt keine zentralen Steuerungsmöglichkeiten“, trägt Manager Ihlau vor, nachdem der Jemen aus dem TUI-Programmm gestrichen worden sei — und zwar aus Sicherheitsgründen.

Der freie Journalist Klemens Ludwig bemängelt die schlechte Aufklärungsarbeit der Reiseunternehmen. So habe er sich, als der Bürgerkrieg in Sri Lanka auf seinem Höhepunkt war, über die Risiken und Nebenwirkungen einer Reise dorthin kundig machen wollen. Die lapidare Antwort des Unternehmens damals: Keine Gefahr im Verzug. Ludwig warf der Reisebranche vor, daß sie schizophren handle. Einerseits versuche sie, die sozialen und politischen Verhältnisse eines Landes vollkommen auszuklammern und eine heile Welt zu suggerieren; andererseits sei aber gerade die Branche von der politischen Stabilität im Urlaubsland hochgradig abhängig. Denn nur auf dieser Basis lasse sich die schöne Ferienwelt inszenieren. Ihlau konterte, daß die Interessen eines Unternehmens wie der TUI rein wirtschaftlicher Natur sein. In die Politik wolle und können sie sich nicht einmischen.

Ihlau versicherte, daß gerade ein Großunternehmen die besten Möglichkeiten habe, bei drohender Gefahr die Touristenströme umzuleiten. Dabei reagiere man besonders auf die Empfehlungen des Auswärtigen Amtes. Wenn die Touristen wegen politischer Unruhen ein Urlaubsland fürchten, ziehen sich auch die Unternehmen ohne größere Einbußen zurück. Die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen trägt, folgt man Ihlaus Argumentation, das Land alleine aus. In ferntouristischen Zielen leidet so vor allem der kaum entwickelte Mittelstand vom Händler über den Kellner bis zum Taxifahrer.

In vielen Orten Ägyptens sieht es inzwischen genauso aus. Ohne die freie Entscheidung der Kundschaft abzuwarten, werden in Ägypten nur noch Orte angesteuert, die außerhalb der bekannten Aktionsfelder militanter islamischer Fundamentalisten liegen. Im Fall des Falles aber, versichert TUI-Vertreter Ihlau, seien ihre Urlauber abgesichert. Das Unternehmen trage die Kosten für Behandlung und Rücktransport von Verletzten.

Wahrscheinlich, glaubt Kollege Öztas, könnten das auch die türkischen Reiseunternehmen leisten, die er in Berlin vertritt. Doch warum sollten sie überhaupt können? „Die Türkei ist kein Risikoland!“ Felicitas Turing

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