Koreas kalter Krieg wird heißer

■ Im Falle von Sanktionen droht Nordkorea mit „Selbstverteidigung“ / China stützt Kim Il Sung

Berlin (taz) – Der Streit um die Atomanlagen Nordkoreas ist dabei, zu einer offenen Krise zu eskalieren. Heute wird sich der Gouverneursrat der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) in Wien zu einer Sondersitzung versammeln, um einen Bericht für die UNO anzufertigen, der die Verhängung von Sanktionen gegen Nordkorea empfehlen könnte. Damit will die Organisation auf das Scheitern ihrer Inspektionsreise vergangene Woche reagieren, auf der geklärt werden sollte, ob der autokratische Kommunist Kim Il Sung insgeheim Atombomben bauen läßt oder nicht.

Allein das laute Nachdenken über Sanktionen führte in Nordkorea bereits zu militanten Drohungen: Die amtliche nordkoreanische Nachrichtenagentur, die als Sprachrohr der Regierung gilt, erklärte am Wochenende, Sanktionen würden als „Kriegserklärung“ aufgefaßt, auf die man mit einer „entschiedenen Selbstverteidigungsmaßnahme“ reagieren werde.

Am Dienstag letzter Woche war ein Inspektionsteam der IAEO aus Nordkorea abgereist, ohne zwei als besonders verdächtig geltende Installationen des nordkoreanischen Atomprogramms besucht zu haben. Der IAEO zufolge wurden die Inspektoren bei ihrer Kontrolle der fünf Anlagen, die sie besuchen durften, stark behindert, was Nordkorea wiederum bestritt. Und am Samstag brachen die eben erst wiederaufgenommenen Gespräche zwischen nord- und südkoreanischen Regierungsdelegationen im Grenzort Panmunjom zusammen: Nachdem Südkorea den Norden aufforderte, doch alle seine Atomanlagen inspizieren zu lassen, verließen die Nordkoreaner empört den Verhandlungsraum und drohten, man werde Südkoreas Hauptstadt Seoul in ein „Flammenmeer“ verwandeln. Seoul liegt gerade 62 Kilometer von der innerkoreanischen Grenze entlang des 38. Breitengrades entfernt.

In Reaktion auf diesen Eklat wird heute der südkoreanische Sicherheitsrat in Seoul zusammentreffen, um nach Angaben der Seouler Nachrichtenagentur Yonhap über einen grundsätzlichen Kurswechsel gegenüber dem Norden zu beraten. „Wir scheinen in ein neues Stadium einzutreten, wo neue Lösungen erforderlich sein könnten“, sagte Kim San Hun, Atomberater im südkoreanischen Außenministerium, am Samstag. Auch die USA verstärken den militärischen Druck: Das unlängst ausgesetzte US-südkoreanische Manöver „Team Spirit“ soll nun doch stattfinden.

Weiterhin plant die US-Regierung nach Angaben aus Washington, noch diese Woche im UNO-Sicherheitsrat über einen Resolutionsentwurf abstimmen zu lassen, der Nordkorea ein Ultimatum zur Öffnung aller Atomanlagen für internationale Inspektoren stellt. Eine direkte Sanktionsdrohung soll in dieser Resolution aber noch nicht enthalten sein, da sonst mit einem Veto Chinas gerechnet werden müßte. Der Pekinger Botschafter in Seoul, Zhang Tingyan, lehnte am Samstag in einem Interview Sanktionen gegen Nordkorea ab. Gestern, nachdem Japans Ministerpräsident Morihiro Hosokawa in Peking mit dem chinesischen Premierminister Li Peng konferiert hatte, schien ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums noch weiter zu gehen: „Wir lehnen es ab, diese Frage dem Sicherheitsrat vorzulegen.“