: Guhte Onkelz
Gameboys zu Kinderliedern: Die Prinzen in der Berliner Deutschlandhalle ■ Von Andreas Becker
Prinzen in Zahlen: zweimal ausverkaufte Deutschlandhalle in Berlin, Bruttoeinnahme 18.000 mal 40 DM = 720.000 DM. Umsätze, von denen Lindenberg heute nur noch träumen kann.
Prinzen, das Erlebnis: Alle durften aufbleiben. Das Publikum besteht zu einem guten Drittel aus Kindern zwischen acht und dreizehn Jahren, zu einem Drittel aus deren Eltern, die mit mußten, das letzte Drittel aber besteht aus Erwachsenen, mündigen Menschen! Pärchen, ganze Cliquen, ja Büroetagen scheinen zusammen hier zu feiern. Als Kopfschmuck trägt jung und alt immer noch gern bunt leuchtende Neonstäbchen um Kopf oder Hals. Was fast völlig fehlt, sind Jugendliche im XXXL- Street-Culture-Look.
Nun ist es natürlich blöd, zu sagen, alle seien blöd, die die Prinzen gut finden. Deshalb hatte ich mir fest vorgenommen, das Prinzen- Konzert gut zu finden, war gespannt, wie die als Band wohl so rüberkommen, dachte automatisch an Männer mit Gitarren, all das.
Als dann pünktlich um acht die Saalbeleuchtung verlischt, bricht, man kann es nicht anders sagen, ohrenbetäubender Lärm los. Die Prinzen stehen hinter Jalousien auf der Bühne, die zum verlängerten Wohnzimmer wird. „Liebe im Fahrstuhl, niemand wird uns hörn / störn.“ Hinter den Jalousien geht der Mond auf: Die Prinzen singen vom Mann im Mond. Ohne Instrumente, ohne alles. Nur einen Gastschlagzeuger haben sie engagiert (der ist auf den „Starmarken“ in der neuen Bravo nicht dabei).
Womit wir unweigerlich beim Aussehen von Jens, Tobias, Sebastian, Henri und Wolfgang wären. Einziger Basecap-Träger ist Wolfgang. Alle anderen sehen, tja... ganz normal bescheuert aus. Der dickliche Frontmann Sebastian mit roten Stoppellanghaaren fällt wenigstens irgendwie auf, der blonde Tobias hat was von Garth aus „Wayne's World“.
Wahrscheinlich ist es bei den Prinzen ähnlich wie in einer Douglas-Parfümerie, deren Neuköllner Mitarbeiterinnen mir einmal erzählten , daß sie nicht zu gut oder aufgedonnert aussehen dürften, weil dann die Kunden Angst vor ihnen bekämen. Model-Mädchen werden gar nicht erst eingestellt: Tut uns leid, Sie sind zu hübsch.
Was zum Teufel also finden die Leute an den Prinzen gut? „Das Leben ist grausam und Gabi ein Schwein. Klaus ist allein, uhuhuhuhu.“ Dann „Alles nur geklaut“, „Ich wär so gern ein Millionär“. A- capella-Gesang mit eintönigem Schlagzeug, spannend wie die Fischer-Chöre zu Ostern.
Aber die Leute rings um mich herum singen mit, fassen sich an, scheinen irgendwie glücklich zu sein. Auf dem Klo steht ein Junge neben mir, der zu klein ist, um in das Becken zu pinkeln. Sein Papi hält ihn hoch. Eine Mutter sagt mir, sie findet es immer noch besser, ihre Zehnjährige höre Prinzen, als „diesen ganzen anderen Schrott“. Und die Texte seien „auch besser“. Die Prinzen als Gegengift zu tagelanger Culture- Beat-Beschallung? Oder zum Gameboy-Gefiepe aus dem Kinderzimmer? Produziert werden die Männer, die kein schmutziges Wort in den Mund nehmen, immerhin von Annerte Humpe (einst Ideal, dann DÖF), insofern sind sie letzter lebender Ausläufer der Neuen Deutschen Welle; und eigenartig kräuselt die sich, wenn die Prinzen versuchen, deutsche HipHop-Bands zu verarschen: „Die können nicht singen.“ „Rappen ist bei mir verboten“, sagt Sebastian den Kindern – zur Warnung vor bösen HipHop-Onkels.
„Warum findet Ihr die Prinzen gut“, frage ich eine Mutter mit fast eingeschlafenem Kind auf dem Arm. Müdes Schulterzucken. Ein Mädchen am Popcorn-Stand überlegt lange, sagt dann, sie findet die Witze gut. „Und was noch, was magst du besonders, na?“ „Die Lieder.“
Nächste Termine: 23.3. Frankfurt/O., 24.3. Erfurt, 26.3. Plauen, 17.4. Bremen, 18.4. Essen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen