: Amtlicher Afro-Optimismus
In einem neuen Bericht zu Afrika pocht die Weltbank auf die Wirksamkeit ihrer Wirtschaftspolitik / „Schnelles Wachstum ist möglich“ ■ Von Dominic Johnson
Der Zeitpunkt war gut gewählt. Kaum war letzte Woche in Ouagadougou, Hauptstadt des Sahel- Staates Burkina Faso, ein westafrikanischer Wirtschaftsgipfel zu Ende gegangen, entließ der burkinabische Präsident Blaise Compaore ohne Begründung seinen Premierminister Yussuf Ouedraogo. Vielleicht wollte er damit Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen: Sein Land gilt nämlich seit neuestem als eines von sechs „Musterländern“ in Afrika, das durch kluge Wirtschaftspolitik höheres Wirtschaftswachstum erzielt haben soll. Das geht zumindest aus einem jetzt veröffentlichten Bericht der Weltbank mit dem Titel „Adjustment in Africa“ hervor, der die wirtschaftliche Entwicklung in 29 afrikanischen Ländern in den Zeiträumen 1981–86 und 1987–91 vergleicht.
Sechs Länder – Ghana, Tansania, Gambia, Burkina Faso, Nigeria und Simbabwe – haben der Studie zufolge zwischen den Vergleichszeiträumen eine „bedeutsame Verbesserung“ ihrer Wirtschaftspolitik erzielt und damit ein Wirtschaftswachstum von durchschnittlich 1,1 Prozent erreicht, nach minus 0,9 Prozent im ersten Jahrfünft. „Länder, die in der Anwendung guter Politik – insbesondere guter Wirtschaftspolitik – am weitesten gegangen sind, haben ein wiedererwecktes Wachstum erlebt“, schreibt der Chefökonom der Weltbank, Michael Bruno.
Die zentrale Aussage – es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Zustand der Wirtschaftspolitik und dem Zustand der Wirtschaft – ist banal. Wesentlich ist aber, daß die Weltbank jetzt plötzlich ein Bild zeichnet, das wohl eher der Imagepflege dient als der Wahrheitsfindung. Der britischen Zeitschrift Economist zufolge ist der Bericht ein bewußt optimistischer Ersatz für einen Vorbericht mit dem Titel „Warum die Strukturanpassung in Afrika nicht funktioniert hat“. Die Bank hält zwar an ihrer düsteren Prognose fest, wonach es noch vier Jahrzehnte dauern werde, bevor das Pro- Kopf-Einkommen Schwarzafrikas wieder das Niveau von vor zwanzig Jahren erreicht hat, und warnt vor „zu hohen Hoffnungen“ – gleichzeitig schreibt sie aber: „Schnelles Wachstum ist möglich“.
Seltsame Musterländer
Der nun verbreitete Optimismus beruht vor allem auf einem Rechenkunststück. Die durchschnittliche Verbesserung der Wachstumsraten in den sechs „Musterländern“ kommt dadurch zustande, daß eine Verschlechterung in Burkina Faso und Gambia durch eine starke Verbesserung in Ghana und Nigeria aufgewogen wird. Und diese liegt vor allem daran, daß Ghana und Nigeria den Zeitraum 1981–86 als eine chaotische, von Militärputschen und abstürzenden Rohstoffpreisen gekennzeichnete Periode erlebten, während 1987–91 dort politisch stabile Jahre waren.
Besonders deutlich werden die Rechentricks im Falle Burkina Fasos. Das durchschnittliche Wirtschaftswachstum war hier in der ersten Periode 2,2 Prozent jährlich, in der zweiten nur 0,4 Prozent. Die erste Periode war eine sozialistische; die zweite war eine der zaghaften Liberalisierung. 1983 hatte eine Gruppe von jungen Offizieren um den schillernden Revolutionär Thomas Sankara die Macht ergriffen; Sankara wollte mit Massenorganisationen, Erntekampagnen und öffentlichen Sparappellen eine sozialistische Zukunft aufbauen und stellte das Schlagwort der „Selbstanpassung“ gegen das der „Strukturanpassung“. 1987 wurde er ermordet. Seitdem – also in der zweiten Weltbank-Periode – regiert sein Mitstreiter Blaise Compaore. Unter ihm lebte Burkina Faso weiter mit einem chronischen Haushaltsloch und einer rapide abrutschenden Handelsbilanz. Erst 1990 verkündete Compaore die Abkehr des Landes vom Marxismus-Leninismus, und erst im Juni 1991 schloß Burkina Faso mit der Weltbank ein Strukturanpassungsabkommen ab.
Bemerkenswert sind auch die elf Länder, die dem Bericht zufolge ihre Wirtschaftspolitik zwischen den Vergleichszeiträumen nicht verbesserten, sondern besonders verschlechterten. Abgesehen von Bürgerkriegsländern wie Mosambik befindet sich darunter auch Kamerun, das in der zweiten Periode jährliche Wachstumsraten von minus 7,9 Prozent erzielte – und das unter einem Weltbank-Strukturanpassungsprogramm. Von schlechter Implementierung des Programms war während der ganzen Jahre seitens der Weltbank nie die Rede. Erst 1992 fror sie entvervt ihre Kredite ein.
Der neue Duktus des Berichtes könnte bedeuten, daß die Bank in Zukunft sehr viel genauer auf die Durchführung der geforderten Wirtschaftsreformen achten wird als bisher. Einer der lange von der Weltbank geforderten weiteren Reformschritte war just die am 11. Januar beschlossene Abwertung der Währung des frankophonen Afrikas, des CFA-Francs. Für einen französischen Franc werden jetzt 100 statt 50 CFA-Francs bezahlt. Burkina Fasos Präsident Compaore war immer ein Gegner der Abwertung – „das wäre für unsere Wirtschaft katastrophal“, sagte er 1993. Burkina ist von Importen abhängig, die ja durch die Abwertung teurer werden.
Gebeutelte Bauern
Die Weltbank sagt, im Gegenzug würden Exporte konkurrenzfähiger. Aber die Frage ist, wem das nützt. Burkina Faso exportiert hauptsächlich Baumwolle, und die Baumwollbauern Burkina Fasos haben im Rahmen des Strukturanpassungsprogramms von 1991 wenig zu lachen gehabt. So wurde die kostenlose Verteilung von Saatgut durch die Regierung eingestellt.
Mit dem Ziel, die Staatsfirmen zu privatisieren, endete Anfang 1993 in Burkina zudem das staatliche Handelsmonopol, womit auch die Freigabe der Preise verbunden war. Die Folge: Die hoffnungslos verschuldete staatliche Baumwollgesellschaft „Sofitex“ setzte ihren Baumwoll-Ankaufspreis, den die Bauern erhalten, um ein Drittel herab. Und auch wenn sich die Exporterlöse nun durch die Abwertung automatisch verdoppeln – der Gewinn fließt nicht an die Bauern weiter, sondern bleibt bei der Sofitex.
Nun wurde in Burkina Faso mit Premierminister Ouedraogo der Architekt des Strukturanpassungsprogrammes gefeuert. Der Nachfolger Roch Kabore, bisher Finanzminister, gilt als Wendehals, der vom Sankara-Sozialisten bruchlos zum Elogen der Wirtschaftsreform wurde. Seine Aufgabe wird es sein, mit der wachsenden Reformmüdigkeit umzugehen. Denn für Burkina Faso wie die anderen Weltbank-„Musterländer“ gilt: Nicht Bauer, sondern Händler sind die Gewinner von Abwertung und Staatsabbau. Das mag dem Bruttosozialprodukt dienen, nicht aber dem sozialen Frieden in den Dörfern. Doch dafür ist die Weltbank nicht zuständig.
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