: Der Kanzler läßt kommentieren
■ CDU-Schleichwerbung durch das Bundespresseamt kommt vors Verfassungsgericht und wird Wahlkampfthema der SPD
Bonn (dpa/taz) – Die Sozialdemokraten wollen gegen Praktiken des Bundespresseamtes im „Superwahljahr“ 1994 das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe anrufen. Der SPD-Abgeordnete Hans Wallow beschuldigte die Bundesregierung gestern in Bonn, durch „unzulässiges Staatssponsoring“ aus Steuergeldern „Schleichwerbung“ für sich zu treiben und die SPD zu diffamieren. Wallow forderte als Konsequenz die Entlassung von Dieter Vogel, dem Regierungssprecher und Chef des Presse- und Informationsamtes.
Die Kritik des SPD-Abgeordneten richtet sich dagegen, daß die Bundesregierung zunehmend neue elektronische Medien nutze, um sich direkt an die Bevölkerung zu wenden. So lasse sie von privaten Agenturen in Hannover (HFN) und Bonn (Duomedia Consulting) ohne Rücksicht auf den begrenzten Auftrag des Bundespresseamtes Rundfunk- und Fernsehsendungen produzieren und vertreiben. Private und öffentlich-rechtliche Sender könnten kostenlos über moderne Glasfaserleitungen von mehreren Agenturen täglich fünf Sendungen, darunter einen Kommentar, abrufen. Im letzten Jahr seien dafür 1,5 Millionen Mark ausgegeben worden. Das Bundespresseamt – mit 750 Mitarbeitern größer als der Kommerzsender RTL – hat einen jährlichen Gesamtetat von 50,3 Millionen Mark.
Als Beispiele für Verstöße gegen die Regeln der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung nannte Wallow „diffamierende Beiträge über die SPD wie zum Beispiel deren Haltung zum Somalia-Einsatz oder den Parteitag in Wiesbaden“. Der Spiegel hatte bereits am Montag die publizistischen Fertigbausätze zitiert und auch über eine Zusammenarbeit des Bundespresseamtes und des öffentlich-rechtlichen Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) bei animierenden Werbespots für die Europawahl berichtet. Die Forderung nach Entlassung Vogels begründete Wallow unter anderem damit, daß der Regierungssprecher auf parlamentarische Anfragen der SPD falsch und unwahr geantwortet habe. Die Praktiken des Presseamtes, für das Bundeskanzler Helmut Kohl politisch verantwortlich sei („Das ist sein Laden“), will die SPD auch im Bundestag zur Sprache bringen. Außerdem sollen der Bundesrechnungshof und die Landesmedienanstalten eingeschaltet werden.
Wallow kritisierte auch andere Publikationen des Presseamtes wie das Journal für Deutschland und die durch „Patenschaftsabonnements“ des Presseamtes unterstützte Zeitschrift Medien Kritik (eine FAZ-Tochter). Wallow sprach von einem „Teil von subversiver Propaganda“. Einen Vergleich zwischen den elektronischen Beiträgen und den früher vom Bundespresseamt auch zu SPD-Regierungszeiten betriebenen Pressediensten für kleine und mittlere Tageszeitungen wollte er nicht gelten lassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen