12.000 Mark in kleinen Münzen

■ Ein Handwerker bediente sich an Intercity-Telefonen

„In der ersten Klasse steht Ihnen ein Münztelefon zur Verfügung.“ Fahrgäste der Bundesbahn kennen diese Ansage, mit der der Service im Intercity gepriesen wird. Dem 34jährigen Elektriker, der gestern auf der Anklagebank des Hamburger Amtsgerichts saß, wurden die einfach zu knackenden Fernsprechautomaten zum Verhängnis. Zwischen 10.000 und 12.000 Mark - hauptsächlich in Groschen - hat er im Frühjahr 1993 aus den in einer Stahlkassette verborgenen Münzbehhältern herausgeholt. Anschließend trug er das erbeutete Geld zur Sparkasse.

Mit tiefer, trauriger Stimme berichtet der bis dato unbescholtene Mann von seiner Diebstahlserie. Der gebürtige Danziger stand damals „unter erheblichem Druck“. Die Kollegen sahen in ihm nur „den Ausländer“, als Pole wurde er zusätzlich beschimpft. Der Elektriker, der bei der Bundesbahn beschäftigt war, ist davon überzeugt, daß seine fällige Beförderung nur daran gescheitert ist, daß er „nicht als richtiger Deutscher galt“. Abschließend räumt er ein: „Ich habe angefangen zu trinken.“ Auf Nachfrage des Amtsrichters geht er noch einen Schritt weiter und sagt, er wisse selbst, daß weder der Alkohol noch die Telefonausräuberei „das richtige Ventil“ für den Kummer gewesen sei, der sich bei ihm angestaut hatte.

Der Familienvater arbeitete damals im Bundesbahn-Stellwerk Langenfelde. Mit einem Dutzend Kollegen ging er abends durch die Waggons, um deren technischen Zustand zu überprüfen. Wenn er einen Moment allein war, griff er zu Schraubenzieher und Hammer. Es soll nur wenige Sekunden gedauert haben, den Münzbehälter zu öffnen. Eines Tages erwischte ihn ein Zivilfahnder auf frischer Tat. Die Bahn hat den Mann gefeuert. Als seine Vermieter von der Sache Wind bekamen, setzten sie den Nebenerwerbshausmeister samt Familie auf die Straße. Inzwischen hat der 34jährige eine neue Stelle gefunden und besucht die Meisterschule.

Der Amtsrichter verurteilte den Münzräuber, der nach eigenem Bekunden „aus der Sache einige Lehren gezogen“ haben will, kopfschüttelnd zu einer Bewährungsstrafe von elf Monaten: „Sie konnten sich doch an zwei Fingern abzählen, daß Sie erwischt werden“, meinte der Richter und fügte hinzu, „hinterher sind dann immer die anderen Schuld an der Misere“. Der Elektriker muß obendrein noch 1000 Mark Geldbuße, die Schadenswiedergutmachung bei der Bahn und die Gerichtskosten bezahlen. Paula Roosen.