piwik no script img

Prächtige Panzerkörperbilder

■ Der sexualisierte Mann in der Duftwerbung: Ein Triumph der muskulösen Mannsbilder / Weibliche Züge in den Zeiten des Backlash sind nicht erwünscht

Die Zeichen häufen sich. Werbung als Insignum zeitgeistiger Strömungen und als vorauseilender Trendsetter ist ein bedürfnisweckendes Stimulans, das den Umsatz der Warenwelt anheizt. Doch hinter dieser Konsumbotschaft entdeckt man einen blinden Passagier, der das Seinige zum Warentransport leisten soll: der sexualisierte Mann.

Altbekannt ist die sexualisierte Frau: Sie muß das Auto mit ihrem Körper dekorieren, ihre Schönheit wird zur Attraktivität der Maschine. Je ausgereifter die Technik, desto perfekter im Laufe der Jahre notwendigerweise der Körper – die aerodynamischen, ballastfreien Zonen wurden zum Prinzip. Das Problem mit den Problemzonen gehörte den unattraktiven Versagerinnen, die den Maßen des Schönerschnellerschärfer nicht genügten. Auch die Folgen sind bekannt: Mit Diäten hungerten sich Frauen in das Korsett der modischen Männermaßstäbe. Das Ergebnis: bis zum Kotzen verkorkst. Heute gibt es dafür ein Problembewußtsein, manchmal das Postulat, eine Frau dürfe auch mal etwas mehr haben. Im Normalfall jedoch steht ihr ihr Geschlecht noch immer im Weg, wenn sie Erfolg in der Businesswelt haben will. Coco Chanels Hosen konnten ihr auf der Karriereleiter anfangs wichtige Dienste leisten. Hilfreich sind auch andere Eigenschaften, die männlich genannt werden. (Kein Wort davon, wie über die ,eisernen Ladies‘ geredet wird.)

In den glorreichen Siebzigern, mit dem Aufbruch der Neuen Frauenbewegung, schmückte sich der Mann mit Blumen, langem Haar und Säuselton – und wurde zum Softie. Doch der Softie ist out, der Mann schlägt zurück. In den Zeiten des Backlash mausert sich der Mann in der Werbung wieder zum richtigen Macho.

Aus dem schmauchenden Cowboy, der rauhbeinig und tumb, höchstens mit verwegnem Blick, im großen Ganzen aber harmlos lächerlich die Prärie der Kinoleinwand durchstreift, wird ein maskuliner Übermensch, der die Welt erobert. Für Parfüm werbend, präsentieren diese Männer einen muskulösen Panzerkörper, der nicht die leiseste Spur „weibischer“ Züge tragen darf. Das eigene Geschlecht zu lieben ist in fortschrittlichen Zeiten wie diesen genehm. In der Werbung jedoch stocken die Gefühle beim Ego und gerinnen zum Narzißmus, dem nichts so peinlich ist, wie das andere Geschlecht in sich zu erkennen. Wie anders ist sonst die Verachtung zu erklären, die den „Drag Queens“ – besser bekannt unter der diffamierenden Bezeichnung „Tunten“ – von noch so liberalen Männern entgegenschlägt?

Hart wie Stahl, geschmeidig wie ein Panther, frei wie ein Adler. So stehen sie, immer brustfrei, in der Wüste, erobern Berge, hechten kopfüber von atemberaubenden Felsen und stoßen ihre Speere ins endlose Nichts. Nicht allein, daß der Mann zum unbeherrschbaren, phallusbeladenen Tier stilisiert wird, nein, die Ästhetik vermittelt auch stilvolle Kultur. Der Körper ist ebenmäßig wie eine griechische Skulptur, eine Arie aus „Tosca“ überhöht das natürliche Niveau. Endlich, endlich darf er sein, was er ist. Beinahe sechzig Jahre nach Leni Riefenstahls filmischem Triumph über den olympiareifen Körper reiht sich ein optisches Zitat an das andere, bis sich daraus ein fanatisches Bild ergibt. Selbst wenn man davor zurückschreckt, Riefenstahls Hyperstilisierungen des gesunden Körpers als faschistische Bildästhetik zu definieren – lehrt ihre Verfügbarkeit für den faschistischen Wahn nicht genug?

Doch die Werbung darf alles. Aufklärerisch gar wird die Unruhe genannt, die sie mit ihren Tabubildern verbreitet. Und so darf sie denn wirklich alles.

Doch die Folgen der Bilder vom sexualisierten Mann machen sich schon sachte bemerkbar: Die männliche Magersucht beschäftigt TherapeutInnen und PsychologInnen. Welch hinderlichen Druck schließlich das Diktat des Körperkults, neben der heute schon bekannten Auswirkung beruflichen Leistungsdrucks, auf die männliche Potenz ausüben wird, ist abzuwarten. Petra Brändle

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen