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Wo blieb das Spielgeld?

■ Stadtetat 1994 erstmals fast bonbonfrei

Alte Hasen in der SPD-Bürgerschaftsfraktion konnten sich nicht erinnern, das schon jemals erlebt zu haben. Ostern ohne Eier? Nein, aber fast: Die alljährliche Haushaltsklausur der Fraktion blieb am vergangenen Wochenende erstmals seit Genossengedenken ohne die allfälligen Geschenkchen für diverse Antragssteller, die damit wenigstens einmal im Jahr zeigen, daß sie immerhin ein paar Mark bewegen können. SPD-Fraktionschef Günter Elste ergriffen über die „kleine Revolution“: „Früher hatten wir meist etwa 180 Anträge. Diesmal 40 – und gerade fünf Beschlüsse.“

Die dramatische Finanzlage der Stadt zwang die braven ParlamentarierInnen zu fast völliger Askese. Lediglich „unaufschiebbare Bedarfe“ durften das Nadelöhr der Klausur passieren: Das 5. Frauenhaus, Investitionen für Kinderstationen im UKE Eppendorf, Stellen und Radarpistolen für Verkehrspolizisten und 150.000 Mark für die EDV-Erfassung von Häftlingsdaten des eheamligen Konzentrationslagers Neuengamme.

Damit nicht genug: Weil die Stadtkasse „nicht mehr mit den herkömmlichen Methoden“ zu retten ist, so Elste, müssen „die Abgeordneten sich auf eine Zurückschneidung der Gestaltungsfähigkeit einstellen“. Auf taz-deutsch: Rumgefummel im Klein-Klein des Stadthaushalts und punktgenaue Maßnahmenbeschlüsse sind für Abgeordnete bald nicht mehr drin. Sie dürfen lediglich über „Budgets“ befinden, größere Geldtöpfe also, mit denen dann SenatorInnen und Verwaltung weit kreativer umgehen können als bisher. Elste glücklich: „Das ist dann fast so wie in der richtigen Wirtschaft.“

Aber, immer noch nicht ganz zufrieden: „Das Bewußtsein über die wahre Lage der Dinge ist noch nicht bei allen vorhanden. Dabei waren die Beratungen diesmal noch nicht einmal ein Ouvertürchen zu jener Sparoper, die 1995 vor uns liegt.“ Deshalb heißt es schon bald Nachsitzen: Auf einer weiteren Klausurtagung werden die SPD-Parlamentarier bald „Spartechniken“ bimsen.

Florian Marten

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