: "Daß man nicht in diesen Sumpf gerät"
■ Zum Tod von Siegfried Salzmann, dem ehemaligen Direktor der Bremer Kunsthalle: ein letztes Gespräch
Wenn die Bremer Kunsthalle jetzt erheblich besser aussieht als noch vor zehn Jahren, dann ist das vor allem das Verdienst Siegfried Salzmanns: Die Sanierung des teils maroden Hauses ist entscheidend vorangekommen, seit er 1985 das Amt des Direktors übernahm. Trotz eines Krebsleidens führte er bis zum Jahresende die Geschäfte des Hauses. Die Vollendung seiner ehrgeizigen Um- und Ausbaupläne, um das Museum und seine Sammlung wieder attraktiver zu machen, kann er nun nicht mehr miterleben. Wie erst jetzt bekannt wurde, verstarb Salzmann am 19. März; die Trauerfeier fand im engsten Familienkreis statt. Über die verwirklichten und die nicht verwirklichten Pläne seiner neunjährigen Amtszeit sprach er in seinem letzten Interview mit der taz im Juli vergangenen Jahres, das wir in Auszügen noch einmal dokumentieren.
Was hat sich von Ihren Vorstellungen verwirklichen lassen, was nicht?
Man wird ja relativ bescheiden. Ich hätte mir gewünscht, daß unser Haus am Ende meiner Amtszeit renoviert sein würde und die Sammlung in einem wunderbaren Zustand neu von mir aufgebaut sein würde. Wir haben ein kleines Stück geschafft, ein paar Säle renoviert; das Untergeschoß und das Café befinden sich jetzt in einem besseren Zustand. Was das übrige Haus angeht – da ist noch sehr viel zu tun.
Was war Ihre Lieblings-Ausstellung?
Eigentlich habe ich alle Ausstellungen mit einem gewissen Engagement gemacht. Eine wichtige Ausstellung, die vom Förderkreis finanziert war, waren die Bodenplastiken vor fünf Jahren. Eine ganz neuen Form der Skulptur, sowas hat es in Deutschland vorher gar nicht gegeben. Das hat große Resonanz unter den Künstlern und anderen Interessierten gefunden. In Bremen war das Echo eher dünn, wie es überhaupt noch eine lange Zeit dauern wird – und das ist auch das Problem des Museums Weserburg – bis hier ein Anpassungsprozeß in Bezug auf die Gegenwartskunst stattgefunden hat.
Für die Klassische Moderne, die Sie in der Kunsthalle ja stark vertreten haben, gibt es eine größere Offenheit beim Publikum?
Ja. Wenn wir Schmidt-Rotluff zeigen, ist das Haus voll. Oder die Rodin-Ausstellung, das war mit 70.000 Besuchern ein riesiger Erfolg, wenn mann es von den Zahlen her sieht. Aber ein Museum muß eben auch Ausstellungen machen, wo relativ Wenige kommen, wie z.B. die Bodenplastik, oder einen jungen, unbekannten Künstler. Nur, man muß das sehr kalkluliert machen. Das habe ich hier in Bremen versucht.
Welche Schwerpunkte soll die Kunsthalle denn künftig in der Bremer Kunstlandschaft besetzen – auch im Verhältnis zum Neuen Museum Weserburg und seinen Sammlungen neuer Kunst?
Also, einmal haben wir hier ja eine alte Sammlung von Format, die vom Mittelalter bis ins frühe 20. Jahrhundert reicht. Das zweite ist die Klassische Moderne. Wer die Ausgangspunkte der zeitgenössischen Kunst kennenlernen will, der muß in die Kunsthalle kommen. Um drittens haben wir gezielt mit der Weserburg abgesprochen, was wo angekauft wird.
In der Weserburg spielt die US-amerikanische Kunst, insbesondere die Pop Art, eine große Rolle; die Kunsthalle muß also andere Wege in die Gegenwart suchen?
Die Pop Art wäre doch bei uns gar nicht mehr nachzuholen. Für einen Jasper Johns muß man heute doch schon Millionen hinlegen. Pop Art hätte man in den sechziger Jahren kaufen müssen. Da war aber weder die Kunsthalle dafür offen, noch waren es die Bremer. Das ist sehr merkwürdig, weil die Bremer eigentlich ein Verhältnis haben müßten zu dieser Art von amerikanischer Kaufmanns- und Konsumkunst. Das hatten sie aber offensichtlich nicht. Das galt nicht als Kunst. Ich glaube, in Bremer gibt es, teils auch durch die Arbeit der Kunsthalle, so ein bißchen eine Blickrichtung nach Frankreich. Dabei spielt so en wenig das bürgerliche Kunstverständnis des ausgehenden 19. Jahrhunderts eine Rolle. Dabei sind bestimmte Kunstrichtungen in Bremen vollkommen unter den Tisch gefallen. Der Surrealismus ist ein weißer Fleck auf der Landkarte, von moderner Plastik ganz zu schweigen. Wir geben jetzt in Kürze zum ersten Mal einen Katalog der Plastik heraus (soeben erschienen, Anm.d.Red.); da kann man sehen, wie stark konservativ die Sammlung in Bremen ausgerichtet war, wie stark die Skulptur hier von der Vorstellung der Figur geprägt war. Das habe ich während meiner Tätigkeit aufgebrochen und völlig andere Akzente gesetzt.
Was muß Ihr Nachfolger an besonderen Fähigkeiten mit nach Bremen bringen?
Die Fähigkeit, auch über Bremen hinauszugucken und von Stellen und Persönlichkeiten außerhalb Bremens Interessenten für die Kunsthalle zu gewinnnen. Ich hatte ja eine Reform der alten Satzung des Kunstvereinsvorstandes vorgeschlagen. Die ist nicht zustandegekommen. Dabei sollte ein Kuratorium gegründet werden, das sich eben nicht nur auf einen Bremer Sockel gründet, sondern auch viele Persönlichkeiten von außerhalb heranzieht – auch entsprechend der internationalen Verpflichtung und Verflechtung der Kunsthalle. Das halte ich für ganz wichtig. Das wird mein Nachfolger sicher zu tun haben. Und das stößt sich natürlich ein bißchen an diesen bremischen Verhältnissen. Es gibt hier eine gewisse Neigung, nicht über den Zaun zu schauen. Und das muß man durchbrechen. Bremen hat ja durchaus auch etwas kleingärtnerhaftes – manchmal ist das sehr liebenswürdig – in manchen Kreisen der Bevölkerung, aber auch in der hohen Politik. Was da für kleinkarierte Sachen verhandelt werden, das ist schon schlimm. Da muß man aufpassen, daß man nicht in diesen Sumpf gerät
. Fragen: Thomas Wolff
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