"Sache nicht beendet"

■ IG-Metall-Mitglieder fordern Entlassung eines Sekretärs, der letztes Jahr wegen sexueller Nötigung verurteilt worden war

Der Fall des IG-Metall-Sekretärs Detlef K., der im Mai vergangenen Jahres vom Landgericht Berlin wegen sexueller Nötigung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde, sorgt innerhalb der Gewerkschaft erneut für Spannungen. Sowohl die IG-Metall-Verwaltungsstelle als auch die Vertrauenskörperleitung und der Betriebsrat von Mercedes-Benz in Berlin fordern seine Kündigung.

Detlef K., der im November 1991 eine bei der IG Metall angestellte Sekretärin zu oralem Verkehr gezwungen hatte, scheiterte im Januar dieses Jahres mit einer Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Damit ist K., der nach dem Vorfall in die IG-Metall-Verwaltungsstelle in Oranienburg vesetzt wurde, rechtskräftig verurteilt. Der Bundesvorstand in Frankfurt am Main hatte in der Vergangenheit stets eine Entscheidung über seine Weiterbeschäftigung von einer Bestätigung des Richterspruchs abhängig gemacht.

Eine Mehrheit der 19 Mitglieder der Verwaltungsstelle Berlin verabschiedete nach dem BGH- Beschluß einen Antrag, mit dem die Zentrale in Westdeutschland zum Handeln aufgefordert wurde. Es sei nicht hinnehmbar, daß ein der sexuellen Nötigung überführter Sekretär „einfach elegant nach Oranienburg abgeschoben und damit die Sache beendet wird“, erklärte gegenüber der taz Jutta Schneider, ehrenamtliches Mitglied der Verwaltungsstelle. Wer hauptamtlich bei der IG Metall beschäftigt sei und öffentlich auftrete, sollte „auch über einen entsprechenden Ruf verfügen, um für die Inhalte einstehen zu können“.

Ähnlich äußerten sich auch die Metaller bei Mercedes-Benz, die in einem Brief vom 10. März an den Frankfurter Vorstand eine „klare politische Position“ verlangten: „Eine Gewerkschaft, die sich zur Aufgabe gemacht hat, gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz zu kämpfen, kann es sich nicht leisten, einen zu diesem Schwerpunkt Vorbestraften weiterzubeschäftigen.“

Der hauseigene Vorfall war in der IG Metall zunächst unter den Teppich gekehrt worden. Erst durch einen taz-Bericht kam das Thema an die Öffentlichkeit. Daraufhin hatte die Staatsanwaltschaft von Amts wegen ein Verfahren gegen K. eingeleitet.

In Oranienburg löste der jüngste Berliner Vorstoß erhebliche Verärgerung und Unruhe unter den Mitgliedern aus. Zweimal setzte sich in diesem Jahr die dortige IG-Metall-Verwaltungsstelle mit dem Fall K. auseinander. Nach heftigem Hin und Her sprach sich schließlich eine Mehrheit für eine Weiterbeschäftigung des Sekretärs aus. Der 1. Bevollmächtigte der Verwaltungsstelle in Oranienburg, Philipp Becker, der sich für K.s Verbleib stark machte, gibt sich gegenüber der taz wortkarg. Über dessen Tätigkeit in Oranienburg könne er „nichts Nachteiliges“ berichten: „Mehr werde ich zu dem Thema nicht sagen.“

Über K.s Zukunft in der Gewerkschaft muß nun der IG-Metall-Vorstand in Frankfurt am Main beschließen. Dort hält man sich aber mit einer Bewertung noch zurück. Die Gewerkschaft überlege sich in jedem einzelnen Fall „sehr genau, ob eine Kündigung vorgenommen wird“, erklärt die dortige Pressesprecherin Dagmar Opoczynske. Im Zusammenhang mit K. müsse auch berücksichtigt werden, ob eine Kündigung nicht einer „zweiten Bestrafung“ gleichkomme.

Zunächst einmal will die IG Metall in Frankfurt die Stellungnahmen der Mitarbeiter von K. einholen. Nach Ostern will der Vorstand dann eine Entscheidung treffen. Severin Weiland