■ Bomben auf Goražde, Vertreibung aus Prijedor
: Das Signal der Tatenlosigkeit

Versöhnung zwischen Muslimen und Kroaten in Bosnien, Waffenstillstand in den von Serben besetzten Gebieten Kroatiens – alles schien darauf hinzudeuten, daß nun die Dynamik des Krieges endgültig gebrochen sein könnte. Und nun die Nachrichten über massiven serbischen Beschuß von Goražde im Osten Bosniens, über Massaker und Vertreibung der Muslime, Kroaten und Roma in Prijedor im bosnischen Westen. Jetzt zeigt sich, daß von der muslimisch-kroatischen Aussöhnung zum Frieden in Bosnien noch ein weiter Weg ist. Die Verfassung der neuen Föderation ist abgesegnet, jetzt meldet sich das alte Problem zurück: 51 Prozent des bosnischen Territoriums beansprucht der neue Staat, 70 Prozent halten die Serben besetzt, macht zusammen 121 Prozent. So sind denn nun wieder jene gefragt, die Landkarten mit Gewehren zeichnen.

Für die bosnischen Serben haben sich mit der Gründung einer muslimisch-kroatischen Föderation zwei Optionen eröffnet: der Anschluß an das neue Gebilde oder die Anlehnung ans serbische Mutterland. Ihre Zustimmung zur Föderation haben sich die kroatischen Hardliner aus der Herzegowina mit dem Versprechen einer Konföderation des neuen bosnischen Staates und der Republik Kroatien abkaufen lassen – für die Führung der bosnischen Serben um Radovan Karadžić eine unerträgliche Perspektive. Die serbische Offensive im Westen und im Osten Bosniens ist ein deutliches Anzeichen dafür, daß die Kamarilla von Pale auf die zweite Option setzt.

In Prijedor, wo vor dem Krieg mehr Muslime als Serben wohnten, werden nun die von ursprünglich 50.000 noch 6.000 übriggebliebenen Muslime und auch die 3.000 verbliebenen Kroaten und Roma vertrieben. Und wie vor anderthalb Jahren reichen die UNO und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz die Hand. Es bleibt ihnen gar nichts anderes übrig. Nach dem Massaker der letzten Woche können sie ihre Hilfe bei der Evakuierung nicht verweigern.

Anders ist die Lage im nun seit zwei Jahren umzingelten Goražde. Die Stadt wurde schließlich schon im vergangenen Jahr zur UN-Sicherheitszone erklärt. Was spricht dagegen, den serbischen Verbänden ultimativ die militärische Ausschaltung ihrer Geschütze anzudrohen, falls der Beschuß der Stadt nicht eingestellt wird? Im Fall Sarajevo hat die Drohung gewirkt. Zum erstenmal in diesem Krieg wurde damals der serbische Aggressor in Schranken gewiesen und schließlich der Verständigung eine Bresche geschlagen. Der Eroberung Goraždes und der dann absehbaren Vertreibung seiner muslimischen Bevölkerung tatenlos zuzuschauen würde ein gegenteiliges Signal setzen und könnte der gebrochenen Dynamik des Krieges neuen Auftrieb geben. Thomas Schmid