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„Abschiedsparty“ für die israelischen Truppen

■ Während der Abzug israelischer Soldaten aus Jericho bereits begonnen hat, verabschieden palästinensische Jugendliche die Besatzungsmacht auf ihre Weise

Das übliche Katz-und-Maus- Spiel auch an diesem Sonntag: Israelische Soldaten jagen steinewerfende jugendliche Palästinenser um den kleinen Platz im Zentrum von Jericho. Immer wieder verdrücken sich die Jungs in die nahen Gassen, die Soldaten feuern einige Salven Gummigeschosse ab – unter großem Lärm prallen sie von den Straßenschildern ab, die durch Politslogans längst unkenntlich geworden sind. Ein trügerisch typischer Sonntagnachmittag in den besetzten Gebieten: zwölf Verletzte, zehn Palästinenser, zwei israelische Soldaten. Doch es ist der Auftakt zu einer historischen Woche, die dramatische Veränderungen nicht nur in Jericho bringen wird, sondern auch im von Gewalt zerrissenen Gaza-Streifen.

Während die Soldaten und die Teenager unter den mageren Palmen und in den holprigen Straßen vor der israelischen Kommandantur noch ihr Spiel treiben, verlassen bereits vereinzelt Armeelastwagen, beladen mit Aktenmaterial und Mobiliar, auf einer Seitenstraße die Stadt.

Wie im Gaza-Streifen, wo die israelische Besatzungsarmee schon seit über einer Woche Ausrüstungsgegenstände aus einigen Stützpunkten abtransportiert, ist der Transport aus Jericho ein erster Schritt zum lange erwarteten israelischen Abzug und zur Übergabe der Verwaltung an die Palästinenser. „Vielleicht ist das hier ja so was wie eine Abschiedsparty“, sagt ein palästinensischer Arzt, der im Schatten eines Gebäudes mit verschlossenen Fensterläden steht und die steinewerfenden Jugendlichen beobachtet, die erst das Weite suchen, wenn ihnen die Militärjeeps allzu nahe kommen. „Wir wollen, daß sich die Israelis an diese letzten Tage erinnern.“ – Erstmals seit das Massaker in der Moschee von Hebron am 25. Februar die Friedensverhandlungen jäh unterbrach, scheinen „die letzten Tage“ der israelischen Herrschaft zumindest in einem kleinen Teil der besetzten Gebiete tatsächlich bevorzustehen. In der ägyptischen Hauptstadt Kairo trafen am Wochenende die Verhandlungsdelegationen Israels und der PLO letzte Vorbereitungen, um das erste Kontingent palästinensischer Polizisten in den Autonomiegebieten Jericho und Gaza zu stationieren.

Etwa 300 Mann, die meisten von ihnen Veteranen der zersprengten Befreiungsarmee der PLO, die in Ägypten eine Polizeiausbildung absolviert haben, sollen womöglch schon im Laufe der Woche ankommen, um Unterkünfte und Schulungseinrichtungen für die von palästinensischer Seite vorgesehenen rund 10.000 Polizisten zu schaffen, deren Ankunft parallel zu Abzug und Verlegung israelischer Truppen aus Gaza und Jericho verlaufen soll. Die israelische Delegation soll nach einer Meldung der ägyptischen Nachrichtenagentur allerdings die Entsendung palästinensischer Polizei nach Gaza und Jericho „in nennenswerter Zahl“ vor Juli abgelehnt haben.

Immerhin wurden bereits komplette Büroausstattungen und Baracken auf Armeefahrzeugen abtransportiert. Etwa 600 politische Gefangene sind inzwischen aus dem berüchtigten Ansar-Gefängnis in Gaza in ein Gefängnis im Süden Israels verlegt worden; das Gefängnis soll im Zuge der Übergabe der Zivilverwaltung in eine Polizeischule umgewandelt werden. Susan Sachs (wps), Jericho

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