■ Was ist Volksverhetzung? Die Justiz macht's sich zu leicht
: Schönhuber darf weiter pöbeln

Die Staatsanwaltschaft in Landshut hat sich entschieden. Wenn Rep-Chef Schönhuber Ignatz Bubis als üblen Volksverhetzer, der selbst den Antisemitismus schüre, denunziert, erfüllt er nicht den Tatbestand der Volksverhetzung. Gegen Schönhuber wird deshalb keine Anklage erhoben. Etliche Anzeigen gegen ihn werden deshalb niedergeschlagen, der Mann kann sich und seinen Anhängern versichern, die Justiz habe ihm für seine Provokationen einen Persilschein ausgestellt. Sicher liegt der Fall juristisch komplizierter. Ignatz Bubis und Michel Friedman seien nun mal Individuen und keine Volksgruppe, folglich könnten sie zwar beleidigt werden, aber Beleidigungen gegen sie könnten nicht als Volksverhetzung gewertet werden. Das mag juristisch vertretbar sein, politisch ist es verheerend.

Ignatz Bubis hat sich mit guten Gründen geweigert, selbst gegen den Rep-Chef Anzeige zu erstatten. Zum einen, weil er Schönhuber damit satisfaktionsfähig gemacht hätte. Und zum anderen, weil Bubis nicht als Privatmann Ignatz Bubis, sondern als Vorsitzender des Zentralrats der jüdischen Gemeinden in Deutschland angegriffen wurde. Kurz nach dem Brandanschlag auf die Synagoge in Lübeck hatte schließlich Schönhuber eine genau gezielte Provokation gegen den Repräsentanten der Juden in Deutschland gestartet, die, so hat ihm nun die Staatsanwaltschaft bescheinigt, rechtlich einwandfrei inszeniert war.

Eine ähnliche Erfahrung machte die neofaschistische Rechte kürzlich mit dem sogenannten Urteil zur Auschwitz-Lüge des Bundesgerichtshofes, das, allen komplizierten Begründungen zum Trotz, in der Gesellschaft letztendlich nichts anderes signalisiert als allergrößte Toleranz für rechte Ideologen. Man mag einwenden, der Kampf gegen Rechts sollte eben nicht durch Polizei und Justiz, sondern in der politischen Auseinandersetzung geführt werden. Strafgesetze gibt es aber gerade, um die Grenzen der Auseinandersetzung zu markieren. Bei diesen Grenzziehungen tut die Justiz in Deutschland jedoch wieder einmal so, als bewege sie sich im luftleeren Raum. Denn just eine Frage wie Aufhetzung gegen eine Gruppe der Bevölkerung ist in starkem Maße von der aktuellen Situation abhängig. Die Brandstifter von Lübeck werden die Entscheidung von Landshut mit Interesse zur Kenntnis genommen haben. Staatsanwälte und Richter, die so tun, als ginge sie dies alles nichts an, machen sich ihren Job ein bißchen zu einfach. Jürgen Gottschlich