Konkurrenzlos und unverkäuflich

■ Arbeitsplatz- und Standortsicherung durch den Transrapid - und was davon zu halten ist

Schenkt man den Befürwortern des Transrapid aus Politik und Wirtschaft Glauben, so ist der Transrapid eine technologische Innovation, die gute Exportchancen eröffnet, die Arbeitsplätze sichert und neu schafft und so den Forschungs-, Entwicklungs- und Produktionsstandort Deutschland langfristig festigt. Zwingende Voraussetzung sei allerdings, daß eine „Referenzstrecke“ gebaut wird, sobald dem Transrapid technische „Einsatzreife“ bescheinigt wurde. An dieser Referenzstrecke werde sich die Wirtschaft in großem Maße finanziell beteiligen und zeige damit ihre große Bereitschaft zum unternehmerischen Risiko.

Was ist bei realistischer Betrachtung an diesen Argumenten dran? Während die Privatwirtschaft gerade mal 700 Millionen Mark aufbringt, müssen die Steuerzahlenden den Löwenanteil am geplanten Transrapid berappen (nämlich den Fahrweg – erwartete Kosten: 5,6 Milliarden Mark). Sie werden aber auch unwägbare finanzielle Risiken tragen müssen, die sich höchstwahrscheinlich beim Betrieb des Transrapid ergeben – basiert doch die finanzielle Kalkulation auf einer unzulässigen Verknüpfung von Bestannahmen und unrealistisch hohen Fahrgastzahlen, wie das jüngste Gutachten des Wissenschaftlichen Beirates des Verkehrsministeriums konstatiert.

Wie der Beirat feststellt, wurden die Wirtschaftlichkeitsberechnungen für den Transrapid nur strecken- und nicht netzbezogen durchgeführt, d.h. die zu erwartenden Mindereinnahmen auf der Eisenbahnstrecke zwischen Hamburg und Berlin wurden nicht von den Transrapid-Einnahmen abgezogen. Soviel zum „unternehmerischen Risiko“.

Exportschlager? Bei Licht betrachtet bleibt davon ziemlich wenig übrig

Schließlich wird der „Standort Deutschland“ durch Transrapid nicht gesichert, sondern gefährdet, und zwar auf verschiedenen Ebenen:

Es werden durch den Bau der Transrapidstrecke zwar Arbeitsplätze geschaffen, wahrscheinlich jedoch nur zeitlich begrenzt und geografisch gesehen in einem schmalen Korridor. Ähnlich wie zum Beispiel der Bau von Autobahnen ist aber nach Meinung von Experten der Bau der Transrapidstrecke im Vergleich zu anderen Projekten wie dem Aus- und Neubau von Eisenbahnstrecken nicht sehr beschäftigungsintensiv. Auch für Betrieb und die Wartung des Transrapid werden nur sehr wenige Arbeitsplätze geschaffen.

Aber wie sieht es mit Arbeitsplätzen durch Nachfrage im Ausland aus, also der Exportschlagertheorie? Einzig das Transrapid-Konsortium nennt als potentielle Besteller des Transrapid nordamerikanische (USA) und asiatische Länder (China, Taiwan, Südkorea), nachdem sich ganz Europa schon für eine Hochgeschwindigkeitstechnologie auf Basis der konventionellen Rad-Schiene-Technik entschieden hat. Nach Recherchen des Fernsehmagazins Monitor (Sendung vom 14. März 1994) gibt es aber in keinem dieser Länder konkrete Transrapid-Projekte. In den USA, wo allenfalls eine 16 Kilometer lange Strecke vom Flughafen Orlanda nach Disney World in der Diskussion ist, wird dem Transrapid von führenden Ingenieuren wegen der Kosten und der fehlenden Kompatibilität mit anderen Verkehrsmitteln keine Chance gegeben. China dementiert konkrete Kaufabsichten; Südkorea und Taiwan entwickeln – ebenso wie Japan – eigene Magnetbahnsysteme und sehen sich nicht als potentielle Käufer des deutschen Transrapid.

Exportschlager sind die „Neigezüge“ aus Italien und Schweden

Selbst wenn aber in den USA Transrapidstrecken gebaut werden sollten, würden dadurch in Deutschland nur sehr begrenzt Arbeitsplätze geschaffen, da die USA darauf bestehen dürften, den Bau und Betrieb mit eigenen Arbeitskräften durchzuführen. Es bleibt hinzuzufügen, daß andere Länder der Welt aus Kostengründen überhaupt nicht als Abnehmer in Frage kommen, es sei denn, Transrapid würde zum neuen „Entwicklungshilfemodell“.

Ein tatsächlicher Exportschlager sind dagegen die schwedischen und italienischen Neigezüge (“X 2000“, „Pendolino“), die sich vorhandenen, kurvenreichen Strecken so anpassen, daß ein Schnellverkehr von 120 bis 160 Kilometern pro Stunde realisiert werden kann, ohne aufwendige, neue Strecken bauen zu müssen. Die eigene Entwicklung eines Neigezuges der ehemaligen Bundesbahn wurde auf Weisung von oben auf Eis gelegt. Indem Politik und Wirtschaft auf diese Weise alternative Verkehrstechnologien weitgehend ignorieren, wird tatsächlich verkehrspolitisch und verkehrstechnologisch die Zukunft verspielt.

Das vorliegende Transrapid-Konzept beweist gerade nicht, daß die beteiligten privaten Unternehmen viel riskieren, sondern daß diese Risiken auf Kosten der Allgemeinheit nivelliert bis minimiert werden sollen. Wenn der Transrapid technologisch tatsächlich so ausgereift wäre und so große Erfolgsaussichten hätte, warum übernimmt nicht die Privatwirtschaft das volle Risiko, sprich die gesamten Kosten, insbesondere die für den Fahrweg?

Aber natürlich, die Bahnreform macht es ja unmöglich – endlich wissen wir, wozu die Trennung zwischen Fahrweg und Betreiber da ist! Damit der „freie Bürger“ gar keine Chance hat, gegen diesen gigantomanischen Streich anzugehen, wurde mit Bedacht die Strecke Berlin – Hamburg gewählt, gelten doch für Verkehrsprojekte, die den Osten mit dem Westen der Republik verbinden, die neuen Beschleunigungs- und andere Gesetze, die Umweltschutz- und Bürger-anhörungsbestimmungen aushebeln. Anders als früher haben nämlich Klagen gegen dieses Vorhaben keine aufschiebende Wirkung mehr.

Die Frist für Klagen von Anliegern und beteiligten Gemeinden wurde zudem verkürzt. So ist eine schnellere Realisierung von Mega-Projekten zu befürchten, als dies bisher möglich war ... ja, es tut sich etwas am „Standort Deutschland“.