: Requiem für den Spandauer Forst
■ Die bisher autofreie Schönwalder Allee im Spandauer Forst wird heute dem Autoverkehr übergeben / Klage beim Verwaltungsgericht hat keine aufschiebende Wirkung
Heute vormittag wird die Schönwalder Allee ungeachtet aller Proteste und einer vor dem Verwaltungsgericht anhängigen Klage für den Autoverkehr freigegeben – ganz unspektakulär, wie Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) von seiner Pressestelle verlauten läßt: „Da sind nur sechs Verkehrsschilder zu entfernen.“
Auch Protestaktionen stehen nicht mehr zu erwarten. Die Spandauer Bürgerinitiative Waldstraßen hat sich bereits am späten Montag nachmittag mit einem „Requiem für den Spandauer Forst“ von dem bisher noch weitgehend unberührten Waldgebiet verabschiedet. Nach einem von Peter Kranz, dem Pfarrer der Spandauer Luthergemeinde, gehaltenen Gottesdienst sollte zu den Klängen des Posaunenchors ein Kranz am Geländer der Steinernen Brücke niedergelegt werden. Die Brücke, an der jetzt der Autoverkehr den Nieder-Neuendorfer Kanal und die berlin-brandenburgische Landesgrenze passiert, war bereits im Sommer 1990 ausgebaut worden. Im Flächennutzugsplan ist die Schönwalder Allee nicht als Durchgangsstraße vorgesehen, argumentieren die Gegner der Öffnung.
Jochen Liedtke von der BI Waldstraßen betonte, daß nach den von seiner BI an die Einwohner von Schönwalde verteilten Fragebögen, von denen allerdings nur etwa zehn Prozent zurückgeschickt wurden, eine deutliche Mehrheit die Freigabe der Schönwalder Allee ablehnt. Auf der Falkenseer Chaussee, die den Schönwaldern bislang als Verbindung nach Spandau und Berlin diente, dürfte sich der Verkehr dadurch nur um sieben Prozent verringern, prognostiziert die Umweltverträglichkeitsstudie, die der Bezirk 1991 für die Spandauer Waldstraßen in Auftrag gegeben hatte. Dafür wird nun Schönwalde durch die neue Verkehrsader praktisch halbiert und die örtliche Infrastruktur durch den schnellen Weg nach Spandau ausgetrocknet, fürchtet Liedtke.
Auch die Alten und Behinderten, die im Johannesstift leben, werden kaum noch einen Fuß vor die Tür setzen können: Der Haupteingang führt direkt auf die Schönwalder Allee, eine Ampel gibt es dort nicht. Die Einrichtung hat inzwischen, gemeinsam mit der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz (BLN), beim Verwaltungsgericht Klage eingereicht und sich mit einem Eilantrag gegen die vom Verkehrssenator angeordnete sofortige Vollziehung gewandt. Die BLN schlägt ebenso wie das Bezirksamt Spandau vor, die Niederneuendorfer Allee als Straßenverbindung auszubauen.
Da nach Ansicht von Richter Michael Görlich durch die heutige Freigabe „nichts Irreparables passiert“, ist mit einer Entscheidung über den Eilantrag erst in etwa zwei Wochen zu rechnen. Jedoch hat das Gericht die Senatsverwaltung gestern gebeten, die Freigabe der Straße solange zu verschieben, was diese jedoch ablehnte. Ralph Bollmann
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