■ Ab heute wird das Gatt-Abkommen unterzeichnet: Mehr Fairneß im Welthandel
Mit dem Begriff Liberalisierung hat sich die Linke lange schwer getan. Wenn es dann noch der Welthandel ist, der freier gestaltet werden soll, wenn ausgerechnet die USA die Verhandlungen darüber erzwungen haben und das arme Afrika zu den Verlierern zählt, scheint das Weltbild der 70er Jahre bestätigt: Das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen Gatt – eine neue Waffe der Reichen gegen die Armen.
Was aber wäre ohne das neue Gatt-Abkommen? Den Welthandel gäbe es trotzdem, und zwar wie gehabt zu den Bedingungen der Industriestaaten, die sie notfalls täglich ändern könnten. Im Gatt immerhin haben sich alle teilnehmenden Länder, auch die reichen, auf weltweit gültige Regeln verständigt. Während der Verhandlungen der Uruguay-Runde waren es die Regierungen der USA und der EU-Länder, die zwar vom freien Welthandel redeten, längst aber immer neue Importschranken für Güter aus der Dritten Welt errichteten. Je erfolgreicher Staaten wie Indien oder Brasilien auf dem Exportsektor wurden, desto dichter wurden die Grenzen der Industrieländer für ihre Produkte. Nach dieser Erfahrung vermuten die Handelsexperten aus der Dritten Welt völlig zu Recht, daß es der Clinton-Regierung in erster Linie um den Schutz des US-Marktes geht, wenn sie kurz vor der Unterzeichnung des Gatt-Dokuments plötzlich „soziales Dumping“ entdeckt.
Anders als die Weltwirtschaftsorganisationen IWF und Weltbank beruht das Gatt nicht ausschließlich auf der ökonomischen Macht der Industriestaaten. Bei IWF und Weltbank haben die sieben reichsten Industriestaaten (G7) die Stimmenmehrheit in den Leitungsgremien, das Gatt hingegen beruht auf dem Konsensprinzip: Es wurde so lange verhandelt, bis alle Teilnehmer bereit waren, das Schlußdokument zu unterzeichnen. Das Ergebnis ist darum nicht das absolut perfekte Gesetzeswerk. So ist den Genfer Unterhändlern reichlich spät aufgefallen, daß ein kräftig wachsender Welthandel mehr Transport und damit mehr Umweltschäden verursacht. Trotzdem ist das Gatt ein Fortschritt, weil es mehr Fairneß im internationalen Handel zum Vorteil auch der meisten Entwicklungsländer bringt.
Sogar der tragische Fall Afrika spricht nicht gegen das Gatt. Die ärmsten Länder leiden darunter, daß sie Lebensmittel importieren müssen. In diese prekäre Lage hat sie aber auch das Agrarpreis-Dumping der EU gebracht, das die Existenz vieler Bauern ruinierte. Ließe man die EU weiter die Weltmarktpreise für Nahrungsmittel verderben, wären weitere Bauernopfer in Lateinamerika und Asien zu beklagen. Für Afrika kann es nur darum gehen, möglichst vielen verarmten Bauern beim Aufbau einer lohnenden Landwirtschaft zu helfen. Donata Riedel
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