: „Auf jeden Fall vor den Sicherheitsrat“
■ Nicht die Aktion als solche wurde von der Regierung Jelzin kritisiert, sondern die fehlende Abstimmung mit Rußland
„Die Serben sind natürlich keine Lämmer ... Aber man darf nicht vergessen, daß es in der Umgebung von Goražde gerade die Muslime gewesen sind, die sie vor zwei Wochen zu, sagen wir, inadäquaten Maßnahmen gezwungen haben. Aller Wahrscheinlichkeit nach waren die serbischen Kommandeure im Feld außer Kontrolle geraten.“ So gewichtete ein hochgestellter Beamter des russischen Außenministeriums am Montag vormittag den Anteil der beiden in Goražde kriegführenden Parteien an der Eskalation der letzten Tage. Das in der Nacht von Sonntag zu Montag erfolgte Bombardement von Stellungen der bosnischen Serben vor der Stadt durch zwei amerikanische F-16-Bomber bezeichnete dieser Sprecher demzufolge als „bedrohlich für den Prozeß einer friedlichen Regelung in Bosnien und der Herzegowina“.
Ebenso wie dieser Kommentar weist auch die — vorsichtigere — Reaktion des russischen Präsidenten Jelzin darauf hin, daß sich die russische Regierung nach der nationalpatriotischen Opposition in der Duma umschaut. Die ihrerseits ist ja bekanntlich bei jeder Gelegenheit bereit, den Genozid des Westens an den serbischen Slawenbrüdern heraufzubeschwören. Boris Jelzin hatte schon im Morgengrauen des gestrigen Tages ein Telefongespräch mit Präsident Clinton. Vor seinem Abflug nach Spanien enthielt sich der russische Präsident zwar jeglicher Kritik der Aktion als solcher, äußerte aber desto heftigeren Unmut über den Umstand, daß der Beschluß zustande gekommen sei, ohne daß Rußland konsultiert wurde. Darauf aber, so Jelzin, habe er für Fälle wie den gegenwärtigen während seiner Kontakte mit Clinton immer bestanden. „Wir müssen auch klären, was zerstört worden ist“, sagte er: „Wenn's nur zwei Panzer sind, ist das eine Sache. Wenn aber die Zivilbevölkerung gelitten haben sollte, eine ganz andere. In jedem Fall aber muß dieser Vorfall vor den UN-Sicherheitsrat.“
Als Anfang März Nato-Raketen vier aus der serbischen Krajina stammende Flugzeuge in der Flugverbotszone abschossen, hatte das russische Außenministerium das Vorgehen des Bündnisses inoffiziell gebilligt. Damals gab man zu verstehen, daß man nicht bereit sei, um solcher serbischer Eskapaden willen auf Konfrontationskurs zur Nato zu gehen.
Soweit bekannt, hat es keine Opfer in den Reihen der ukrainischen UNO-Blauhelme im Bezirk Goražde gegeben. Ein Reporter Radio Moskaus berichtete sogar, daß einige der ukrainischen Soldaten das Bombardement als Stärkung ihrer Position begrüßt hätten. Barbara Kerneck, Moskau
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen