: Nur großspurige Drohungen?
■ Neonazis mobilisieren gegen Hamburger Antifa-Demo / Polizei und Staatsschutz sehen keine Konfrontationsgefahr Von Marco Carini
Muffensausen im rechtsradikalen Lager. Weil die Ultrarechten offenbar Angst um das Mobiliar von Jens S. haben, in dessen Hammer Wohnung das „Nationale Infotelefon“ der „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP) steht, mobilisieren sie bundesweit zum Zug nach Hamburg. Denn am kommenden Freitag wollen zahlreiche Antifa-Gruppen gegen den braunen Infodienst vor dem Wohnhaus von Jens S. in der Eiffestraße 602c ab 16.30 Uhr demonstrieren (Treffpunkt 15 Uhr, U-Bahnhof-Burgstraße).
Zwar haben die Neo-Nazis darauf verzichtet, eine eigene Gegen-Demonstration anzumelden. Denn Kundgebungen rechtsradikaler Organisationen wurden in Hamburg von der Innenbehörde bislang stets verboten, weil die Gruppen von den Sicherheitsbehörden als „gewaltbereit“ eingestuft werden. Doch präsent sein wollen sie trotzdem.
Allen voran mobilisiert die Zielscheibe des Antifa-Protests, das „Nationale Infotelefon Hamburg.“ Per Bandansage werden „zahlreiche nationale Organisationen aufgerufen, sich unmittelbar an der linken Demonstration zu beteiligen“, um sich, wie es wörtlich heißt, „für einen friedlichen Verlauf der Demonstration einzusetzen“. Alle „nationalen Organisationen in Deutschland“ seien inzwischen „schriftlich über Ort und Ablauf dieser einmaligen Aktion unterrichtet worden“. Schlußappell des rechtsradikalen Infodienstes: „Alle Nationalisten sind aufgefordert, an diesem Freitag nach Hamburg zu kommen: Zeigt eure nationale Solidarität“.
Tatsächlich scheint es der FAP und der Nationalen Liste (NL) gelungen zu sein, über die Hansestadt hinaus das eigene Spektrum zu mobilisieren. So kursiert nach Informationen der NDR-Hamburg-Welle im Bonner Raum in neofaschistischen Kreisen ein Flugblatt mit der Überschrift: „Kameraden, kommt nächsten Freitag nach Hamburg“.
Trotzdem geht die Hamburger Polizei nicht davon aus, daß es am Freitag zu einem Zusammenstoß zwischen AntifaschistInnen und Rechtsextremisten kommt. Innenbehörden-Sprecher Peter Kelch: „Es ist wenig wahrscheinlich, daß den großspurigen Drohungen Taten folgen“. Volker Heinze, Leiter des Hamburger Staatsschutzes ergänzt: „Solche Ankündigungen dienen vorrangig dazu, die Polizei zum Verbot der Demonstration zu bewegen und die Demonstranten zu verunsichern“.
Die Neo-Nazis würden wohl kaum „den Wahnwitz begehen“, dem genehmigten Protestzug zu nahe zu kommen. Heinze: „Das würde ihnen nicht gut bekommen, und wir könnten sie nur sehr bedingt schützen“.
Für die polizeiliche Einschätzung spricht einiges. Denn die Aufmarsch-Ankündigungen der Rechtsradikalen sind auch nach links gerichtet – der „Feind“ soll mithören. So faxte die FAP unlängst der taz ein Flugblatt, auf dem sie uns die längst bekannte Rufnummer des „Nationalen Infotelefons“ offiziell mitteilte. Sinn macht das Angebot zum Mitlauschen nur unter einer Prämisse: Die rechten Botschaften sollen möglichst breit in die Antifa-Szene hineingetragen werden, um potentielle DemoteilnehmerInnen dazu zu bewegen, lieber am heimischen Herd zu verweilen. Das Kalkül der Rechten würde so aufgehen.
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