Für die Freiheit der Gefühle

■ Madame de Staäl, leidenschaftliche Salonière und Philosophin kommt ins Theater – eine Uraufführung in der Bremer Shakespeare-Company am Leibnizplatz

Sie trat für die französische Revolution ein, und für die Freiheit der Gefühle. Sie war leidenschaftliche Widersacherin Napoleons, von dem sie sagte, er behandele Europa herablassend wie seine Mätresse: „Zieh dich aus, leg dich hin.“ Und sie führte einen der bekanntesten politischen Salons in Paris. Madame de Staäl saß wie die Spinne mitten im Netz der politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen im revolutionären Frankreich, immer umgeben von einem Schwarm von Leuten. Die Tochter des Finanzministers galt als Frau, die ohne Gesellschaft nicht leben konnte – und doch kommt sie nun alleine auf die Bühne der Shakespeare-Company.

Als Ein-Frau-Stück haben Ellen Esser, die Autorin und Regisseurin, und die Schauspielerin Karin Winkler die Madame inszeniert. Und waren dabei fast so eigenwillig wie die Madame selbst. Das räumt Karin Winkler ein, wenn sie von „eigentlich Wahnsinn“ spricht und das Solostück meint. Trotzdem wagten Winkler und Esser den „Seiltänzerakt“. Als „Die komische Verzweiflung der tragischen Madame de Staäl“ zeichneten sie das turbulente Leben der berühmten Salonière nach. In der Gruft, wo ihre Eltern bestattet liegen, spielt es sich im Zeitraffer ab.

Nicht von ungefähr entfaltet sich das Leben der berühmten Frau ausgerechnet in der elterlichen Totenkammer: Diese ist das Sinnbild für die Liebe zum Vater. Und Symbol für die größte Bedrohung und Verzweiflung, die die Staäl erlebte: Für zehn lange Jahre hatte Napoleon seine politische Widersacherin in die Einsamkeit des Schweizer Exils verbannt. Für die überzeugte Pariserin war's eine Qual.

Im Staub der Jahrhunderte wollten die Schauspielerin und die Autorin jedoch nicht wühlen. „Ein Theaterstück muß doch was mit heute zu tun haben.“ Und so wird die Staäl den ZuschauerInnen fast als Zeitgenossin auf der Bühne erscheinen, „als eine eigenwillige Frau eben, mal lächerlich, mal ernst zu nehmen. Als eine, die es heute viel zu wenig gibt“, sagt Karin Winkler.

Allerdings mangelt es nicht nur im wirklichen Leben an solchen Frauen. „Auch im Theater gibt es kaum Rollen, in denen Frauen als Heldinnen ihres eigenen Lebens auftreten“, fanden die Theaterfrauen Esser und Winkler und schrieben das Buch zum Stück konsequenterweise selbst. „Es hat mich Mut gekostet, zu schreiben, wie diese potente Frau dachte“, sagt Ellen Esser. Drei Monate feilte sie an Madame Staäls Weltsicht, drei weitere Monate vergingen mit Proben. Bis zur letzten Woche veränderte sich der Text, immer wieder wurde er kondensiert. Das Schwierigste: „Das Leben dieser Frau nachvollziehbar zu machen.“ Denn die ist in Deutschland wenig bekannt – ein altes Dilemma, das vor allem Frauen betrifft. ede

Uraufführung heute, 19.30 Uhr, im Theater am Leibnitzplatz