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■ Hochwasser legte ICE-Strecke lahmKurz vor der Katastrophe

Magdeburg (taz) – Den Passagieren seines Superflitzers ICE verspricht der Chef der Deutschen Bahn, Heinz Dürr, bei Verspätungen von mehr als 15 Minuten einen Preisnachlaß. Diesen Rabatt durfte er sich jetzt selbst gewähren. Das Hochwasser in Sachsen-Anhalt unterspülte die ICE-Strecke Berlin–Hannover, und Dürr spürte am eigenen Leib, wie sich seine Kunden fühlen, wenn mal wieder alles zu spät ist. Er saß in einem der ICE- und IC-Züge, die von Dieselloks über Nebenstrecken an der Unterspülungsstelle vorbeigeschleppt werden mußten und Verspätungen bis zu zwei Stunden hatten. Zwar ist die Strecke inzwischen wieder passierbar, Rabatte muß Dürr seinen Bahnfahrern aber wohl weiter gewähren – die Superflitzer der Bahn dürfen nur mit 50 anstatt der üblichen 160 km/h über die Unterspülungsstelle fahren.

Verluste macht Bahnchef Heinz Dürr auch im Harz. Dort sind fünf Regionalstrecken wegen Unter- oder Überspülung voll gesperrt. Als gängiges Verkehrsmittel bot sich statt dessen das Boot an. Freuen dürfen sich darüber vor allem die Kinder. In fast allen Hochwasserkreisen des Harzes fiel gestern der Schulunterricht aus. Und auch für heute war in den meisten Kreisen die Verlängerung der Osterferien bereits beschlossene Sache. Doch die Kinder im Harzörtchen Altenbrak können sich über die zusätzliche Freizeit nicht so recht freuen. Die Fluten spülten ihren Abenteuerspielplatz einfach weg. Und für 25 andere Kids bedeutete das Hochwasser ein vorzeitiges Ende ihrer Klassenfahrt, als die Jugendherberge in Meisdorf evakuiert werden mußte. In Aschersleben mußten 60 Patienten eines kleinen Krankenhauses ihre Betten räumen, als in der Klinik „Land unter“ gemeldet wurde. „Einen solchen Hochwasserstand haben wir noch nie gehabt“, sagt der Leiter des Katastrophenstabes im Regierungspräsidium Magdeburg, Otto Harms. „Ein echtes Jahrhunderthochwasser.“ „Die Pegellatten der Wipper in Hettstedt sind nicht hoch genug“, sagt der Magdeburger Pressesprecher Peter Adler. „Wir können deswegen den Wasserstand nicht mehr bestimmen.“ Das sonst eher beschauliche Flüßchen ist zu einem reißenden Strom angeschwollen.

Für die Katastrophenstäbe gab's dennoch ein wenig Licht am Ende des Tunnels. In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag wurden im Harz „nur elf Millimeter Niederschlag gemessen“. Verglichen mit den 88 Millimetern in der Vornacht, muß man fast von einer Dürre sprechen, flachst ein Katastrophenhelfer der Freiwilligen Feuerwehr in Quedlinburg und nimmt einen Schluck aus der Mineralwasserpulle. Leitungswasser trinkt er derzeit lieber nicht, sagt der Mann. Das Trinkwasser in Quedlinburg und Silberhütte ist durch das Hochwasser massiv verunreinigt. Der Wasserstand der Flüsse im Harz stieg am Donnerstag nicht weiter an. Aber die Behörden selbst sorgten dafür, daß die Bewohner der Hochwasserregionen noch lange nicht aufatmen konnten. Die Talsperren sind durch die Niederschläge der vergangenen Tage randvoll. „Wir mußten anfangen, Wasser abzulassen, um ein unkontrolliertes Überlaufen zu verhindern“, sagt Harms. 77 Kubikmeter pro Minute allein aus der Rappbode-Talsperre ergießen sich so zusätzlich in das Hochwassergebiet. Dennoch glauben die Behörden an eine bevorstehende Entspannung der Lage zumindest im Harz. Derweil stieg im Süden Sachsen-Anhalts der Pegel stark an. Für die Landkreise Naumburg, Weißenfels, Nebra und Merseburg wurde die Hochwasser-Alarmstufe 4 ausgelöst. Das ist die letzte Stufe vor dem Katastrophenalarm. Eberhard Löblich

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