Workshop für Endlosschleifen

■ Tanztheaterwochen: Enttäuschende Choreografie von Philippe Saire

Sie hatten angekündigt, sich mit großen Themen zu beschäftigen, sich mit Fragen zu Leben und Tod, Gesetzmäßigkeiten menschlichen Lebens und gesellschaftlicher Ordnung auseinanderzusetzen; mit Zufall, Schicksal, Chaos...

Doch leider waren diese Fragen sichtlich einige Nummern zu groß für die Tanztheater-Compagnie Philippe Saire aus Lausanne, die Freitag und Sonnabend auf Kampnagel im Rahmen der 4. Internationalen Tanztheaterwochen ihre Produktion La Nebuleuse du Crabe als deutsche Erstaufführung zeigte.

Und nicht nur inhaltlich, auch formal hatten sich die Compagnie übernommen. Die mittelalterlichen Spiele um Leben und Tod, die ein Grundtheama des Abends sein sollten, ereigneten sich leider - und das war das Fatale - nicht auf der Ebene des Tanzes, zeigten sich weder als Motiv noch als spielerisches Element in der Bewegung oder in der Struktur der Choreographie. Vielmehr wurden sie dem Zuschauer mithilfe zweier übermäßig pathetischer Texte über das Spiel mit der Existenz von Schauspieler rezitierend aufs Auge gedrückt. Das Publikum wußte - dank der vortragenden Mimen - welches Spiel mit welchen Regeln und Ausgängen nun von der 12-köpfigen Truppe dargestellt werden sollte - aber man sah es nicht. Denn sie tanzten es nicht, und schon gar nicht spielten sie es.

Die Compagnie zeigte vielmehr die Ergebnisse eines sehr langen und für die Tänzer sehr anstrengenden Workshops in „Contact Improvisation“, die alles hätten bedeuten können. Natürlich, ein Flic-Flac aus dem Stand ist immer wieder beeindruckend, die Koordinationsfähigkeit zweier Tänzer beim gegenseitigen Anspringen und Abrollen sowie akrobatische Varianten des Rad-Schlagens faszinieren - wenn es klappt, und die Anstrengung bei den schnellen Bewegungen nicht sichtbar sind.

Aber das alles reicht bei weitem nicht, um über die große Längen einer Choreographie hinwegzuhelfen. „Alle reden wir immer nur von den gleichen Dingen, was sich ändert, sind einzig die Formen, die Situationen, die Menschen“, behauptet Saire gewollt philosophisch im Presseheft. Und fast meint es der Zuschauer auf der Bühne zu sehen: stereotype Wiederholungen bedeutungsvoll-nichtssagender Gesten. Mal als Solo, mal als Duo- oder Ensemblekonstellationen getanzt. Eine Endlosschleife von Sprüngen und Drehungen, von einem im Grunde aber reduzierten und bekannten Tanzvokabular. Das wenigstens findet seine sinnvolle Entsprechung in der epigonalen pseudoklassischen Musik.

Am Ende findet der symbolbeladene Abend um Regeln, auf der Suche nach Spielen, seinen Ausklang im Bild zweier rieselnder Sanduhren, die auf den Rücken der Tänzer geschnürt sind: Also doch Endlichkeit und (Gott sei Dank) nicht noch mehr Wiederkehr des ewig Gleichen. Annette Kaiser

Morgen bei den Tanztheaterwochen: Jo Fabian mit „Whisky & Flags“, Halle 2, 20 Uhr