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■ SchreibengerichtBarbara Manning & The San Francisco Seals

No Where (Normal/Indigo)

In der Erinnerung steht sie immer noch auf der Bühne des Berliner „Loft“: sympathisch pummelig und wegen des Auftrittsszenarios verlegen kichernd. Aber wir alle werden älter und manchmal sogar glücklicher. Bei Manning heißt das konkret: neue Platte, eine neue Band (The San Francisco Seals) und größere Wertschätzung – die sich in einem Vertrag beim US-Label Matador umsetzte. Summa summarum auch musikalisch weniger Melancholie als noch auf dem 92er Album „One perfect green blanket“. Die Ex-Mitbegründerin des Heyday-Labels schreibt aber auch heute keinen puren Frohsinnsfolk, sondern kleine Geschichten, angesiedelt zwischen den Attributen spröde, bestimmt und balladesk. „Softcore“ oder „Folk with Attitude“ hat man diese Musik nach Erscheinen am Markt genannt – Musik, die trotz aller neuen Munterkeit irgendwie konsequent dem Prinzip Manning- Monochromie verpflichtet bleibt: bei aller Ruppigkeit immer ein wenig dunkel geradeaus grundierte Gitarrenriffs, verstohlen scheppernde Bässe, Töne wie von verlassenen Farmen, überwundenem Herzeleid und verarbeiteter Traurigkeit. Gewissermaßen die mädchenhaftere Variante einer Stimmung, die „Ghostriders in the sky“ einst verbreitete.

„No Where“ sind zehn Stücke, die gutes Wetter bescheren, inklusive zwei Cover-Versionen (von Goblin Mix und Badfinger), eine Nummernrevue, in der verbindende Samples poltern, Vinyl kratzt und die Geräuschfetzen nur so purzeln. Vielseitiges Songwriting, das sich mal auf die lärmigere Seite der Hippie-Tradition besonnen hat und, laut losprustend, mit der Faust auf den Tisch haut. „Back again“ hat fast etwas von flottem Girlie-Pop, „Janine's dream“ hoppelt den Tanzboden entlang. „Don't underestimate me“ flirtet ein bißchen mit psychedelischen Roots, und „8's“ ruft gar liebe Erinnerungen an die Revoluzzer- Hymnen von Jefferson Airplane wach. Mit „Still“ gibt es dann ein Schmäckerchen voller Bahnhofswehmut. Das alles ist schrecklich gut zu leiden. Wie schrieb die Village Voice doch so passend: „Introspektive pretty songs about heavy shit“.

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