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Polizist schildert Todesschuß

■ Staatsanwaltschaft: kein Totschlag / Schuß kam offensichtlich doch von vorn

Der Polizeibeamte, der den 28jährigen mutmaßlichen Einbrecher Jochen M. in der Nacht zum vergangenen Donnerstag mit einem Schuß tödlich verletzte, ist gestern endlich von der Staatsanwaltschaft vernommen worden. Wie Justizsprecher Frank Thiel mitteilte, hat die Staatsanwaltschaft nach der Aussage des Beschuldigten das Verfahren wegen Totschlags niedergeschlagen und ermittelt gegen den Beamten nun nur noch wegen fahrlässiger Tötung.

Laut Justizsprecher Thiel hat der beschuldigte Polizist nun erklärt, der getötete Jochen M. habe sich an einer nicht einsehbaren Stelle eines Laubenganges verborgen gehabt und ihn „überraschend angesprungen“. Der Beamte, der in einer Hand eine Taschenlampe und in der anderen seine entsicherte Dienstwaffe gehalten habe, will sich geduckt und gleichzeitig beide Arme schützend nach oben gehalten haben. Dabei habe sich der Schuß gelöst und Jochen M. unter dem Kinn getroffen. Nach den bisherigen Erkenntnissen, so Thiel, handelte es sich um einen „relativen Nahschuß“, abgegeben aus etwa 20 bis 50 Zentimetern Entfernung.

Der taz lagen zunächst Informationen von medizinischen Mitarbeitern des Universiätsklinikums Rudolf Virchow (UKRV) vor, wonach Jochen M. durch einen Streifschuß von hinten getroffen wurde. Jochen M. war seinerzeit ins UKRV gebracht worden. Wie berichtet, hatte Justizsprecherin Uta Fölster zwei Tage lang jegliche Stellungnahme zu der Schußabgabe verweigert. Erst nach dem Bericht der taz hatte sie sich am Freitag abend unter Berufung auf den Obduktionsbericht zu der Erklärung durchgerungen, Jochen M. sei von vorn erschossen worden. Aus den ersten Untersuchungsergebnissen war den medizinischen Mitarbeitern des UKRV nicht ersichtlich, daß es sich um einen Durchschuß handelte, weil weder Einschuß noch Schußkanal sichtbar waren. Das neuere Untersuchungsergebnis nach der Obduktion läßt jedoch vermuten, daß die Kugel offensichtlich von vorn unter dem Kinn eingetreten ist. maz/plu

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