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Vorschlag

■ Eher unappetitlich: „Pinocchio 964“, ein japanischer Film von Shozin Fukui im fsk

Was „Underground“ nun eigentlich bedeutet, so per definitionem, verrät einem kein Lexikon. Der japanische Film „Pinocchio 964“ wird durch den üblichen Promotion-Handzettel als Underground-Film ausgewiesen. Ist es nun wegen der Ästhetik, einer wüsten Kreuzung aus No-Theater und Splattermovie, der Story, einer wüsten Kreuzung aus metropolitaner Losergeschichte und Science fiction oder der Ansiedlung von Regisseur und Produktion? Bedeutet Underground vor allem eine Seite von Wahrheit, die sich ausgiebig in Kotze, Rotz, Eiter und Schlamm artikuliert? Wir gestehen, wir sind außerordentlich ratlos. Zu besichtigen steht jedenfalls folgende Geschichte aus dem Reich einer schönen neuen Welt, in der böse Menschen Kliniken für Lobotomie betreiben.

Lobotomie ist nichts Lustiges. Eine Spirale fährt ins Gehirn, gruselig. Lobotomie heißt, die ganze Erinnerung eines Menschen an seine Vergangenheit auszulöschen und seinen Geist zu nichts zu reduzieren. Narishima, Chef einer dubiosen Dienstleistungsgesellschaft, ist gerade dabei, Pinocchio 964 als Sexmaniac zu programmieren. Pinocchio mutiert sowohl zur hypermotorischen Puppe als auch zum Punk mit süßem, penisartigem (Symbol, Symbol!) Lockenhörnchen auf dem kahlgeschorenen Haupt. Er wird, ein sprachloser Identitätskrüppel, von einem unersättlichen Mädchen aus der Klinik geworfen und fällt in einer Fußgängerzone Himiko in den Schoß. Himiko kann sich ebenfalls nicht an ihre Vergangenheit erinnern, versucht jedoch, Pinocchio wieder das Sprechen beizubringen. Beide beginnen einen großstädtischen Horrortrip ins Erinnern, der weitgehend an depressionsauslösenden Orten und in überexpressivem Show- Spiel ausagiert wird.

Da wird in unterirdischen Einkaufspassagen exzessiv gerast, gezuckt, gebrüllt, irr gelacht, mit wirrem Haar getaumelt und soviel gekotzt, wie man unmöglich essen kann. Fleisch schlägt Blasen, Blut schäumt, und der Rotz tropft nur so. In weichgezeichneten Fenstern verbrennt derweil das Tageslicht, und Telefone schrillen ins Leere. Ein paar hübsche Sauereien unterbrechen das Inferno, in dem Pinocchio, inzwischen Sklave der im Nichts wütenden Himiko, letztendlich seine Ketten sprengt.

Symbol, Symbol, möchte man, aufs erleichternde Ende hoffend, schreien und nur empfehlen, vor dem Gang ins Kino nicht zu speisen, sondern das Ganze zwar als unappetitliches, andererseits aber durchaus anregendes Spektakel anzusehen. Denn was, verdammt noch mal, ist denn nun Underground genau? Anke Westphal

„Pinocchio 964“, Japan 1991, O.m. engl. U., Regie: Shozin Fukui. Vom 21.–27.4. im fsk, Wiener Straße 20, Kreuzberg.

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