■ Kandidatenroulett von Bündnis 90/Die Grünen für die Bundestagswahl: Quotenmechanik vor Inhalten und Demokratie / Eine Debatte
: Wahllos eingesperrt im Quotendickicht

Am kommenden Samstag wählen die Mitglieder von Bündnis 90/ Die Grünen ihre KandidatInnen für die Bundestagswahl. Als aussichtsreich für den Einzug in den Bundestag gelten dabei die ersten drei Plätze auf der Liste. Kompliziert wird die Wahl durch eine doppelte Quotierung, die vor einem Jahr bei der Fusion von Bündnis 90 mit der Westberliner Alternativen Liste vereinbart wurde. Neben der Frauenquote, nach der alle ungeraden Plätze – also auch Platz eins – von einer Frau besetzt werden müssen, gibt es eine Art „Schutzquote“ für die Ost-Grünen: Sie stellen nämlich nur rund zehn Prozent der Mitglieder der fusionierten Partei – bei einem normalen Wahlverfahren fielen die Ost-Kandidaten deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit raus. Diese Schutzquotierung hatten sich die Ostberliner Grünen bei der Vereinigung deshalb ausdrücklich zusichern lassen.

Was vor einem Jahr vereinbart wurde, sorgt nun für Unruhe in der Partei. Die Westberliner Parteilinke möchte beispielsweise nicht hinnehmen, daß kein Westberliner Mann – und damit ihr Kandidat Christian Ströbele – eine Chance zur Nominierung besitzt. Andererseits sorgt sich das Bündnis 90 darum, daß ihr männlicher Kandidat, der bisherige Bundestagskandidat und Menschenrechtler Gerd Poppe, ausgetrickst werden könnte.

Andere Parteimitglieder kritisieren, daß für die Delegierten durch die doppelte Quotierung eigentlich keine Wahl mehr möglich sei: Anstatt politisch zu diskutieren, könnten nur noch die Gebote der Quotierung nachvollzogen werden.

Am kommenden Freitag – einen Tag vor der Nominierung – wird eine Landesdelegiertenkonferenz deshalb wegen der vorhandenen Unruhe ausschließlich über den Wahlmodus diskutieren. Überraschungen sind dabei nicht ausgeschlossen.

Die taz dokumentiert aus diesem Anlaß drei Beiträge. Sie nehmen teilweise Bezug auf den am vergangenen Dienstag erschienenen Kommentar von Gerd Nowakowski. Darin wurde die Kandidatennominierung im Gestrüpp der doppelten Quotierung als undemokratisch bezeichnet. gn