: Profi-Sabbler für Männergruppen
■ John Bellicchi in Hamburg oder: Wenn Männer so richtig Männer sind Von Uli Exner
Der Hänfling, Schnäuzer, Brille, Fahrtenrucksack hat - vermuten wir - einen leichten Sockenschuß. Wie viele Männer. Und ist dabei, auch das nicht ungewöhnlich, relativ geschäftstüchtig. Weshalb ihm gelegentliche Proteste gegen seine Veranstaltungen nicht ganz ungelegen kommen dürften. Selbst dann nicht, wenn sie, wie am Dienstagabend in Hamburg, dazu führen, daß er von einem Veranstaltungsort zum anderen und schließlich in eine Privatwohnung tapern muß, ehe er seine Werbebotschaft endlich loswerden darf.
John Bellicchi, 49 Jahre, US-Amerikaner, hat die simplen Botschaften, die einst uns Herbi Grönemeyer in seinem Gassenhauer „Männer“ verbraten hat - Männer weinen heimlich und so -, zu einem kompletten Workshop-Programm ausgebaut. Teuer ist das: Drei Tage 990 Mark zuzüglich Kosten für Unterkunft und Verpflegung kostet der Spaß. Freiwillig bezahlt das kaum einer, auch wenn es Bellicchi aufgrund eines ziemlich langweiligen Spiegel-Interviews inzwischen zu einer gewissen Berühmtheit gebracht hat.
Damit das Geschäft trotzdem läuft, tourt Bellicchi durch die Republik, um Reklame für sein Seminarchen zu machen, das Männern „tiefe Begegnungen ermöglichen“ soll, „Freundschaften mit anderen Männern“, „neuen Sinn und Verbundenheit“, all das also, was Kegelclubs, Skatrunden oder Fußballvereine gemeinhin so zu bieten haben.
Halt!!! Stopp!!! Bellicchi propagiert „soldatische Männerbilder“, will „traditionelle Männerbilder“ festschreiben und fordert gar „zu Gewalt gegen Frauen auf“. Vor dem Eingang zum Cafe des Begegnungszentrums „Haus 3“ stehen sich zwei Männergruppen gegenüber.
Die einen wollen rein, „um sich eine eigene Meinung über Bellicchi zu bilden“. Die anderen wollen nicht, daß die einen reinwollen, weil „Bellicchi kein politisches Forum“ haben darf. Ein Bericht aus dem Männer-Workshop zirkuliert. Darin zitiert ein empörter Teilnehmer Bellicchi so: „Ein Mann muß die Kraft haben, eine Frau zu verletzen, Männer werden von Frauen auch verletzt.“ „Völlig aus dem Zusammenhang gerissen“, empört sich ein Bellicchi-Fan.
Hhmm? Was nun? Wer weicht, wer läßt sich überzeugen? Keiner. Männer eben. Geplänkel, einzelne Durchbruchsversuche, Suche nach Hintertüren, Pöbeleien der üblichen Art: „Ihr seid doch die Faschisten.“ „Eure Methoden sind faschistisch“. Undsoweiterundsofort.
Der Meister kommt. Männergruppe I schart sich um Bellicchi, Männergruppe II bewacht beharrlich den Eingang.
Männergruppe I setzt sich in Bewegung, Bellicchi an der Spitze. Teile der Männergruppe II folgen. Als Bellicchi mitten im Park des Hauses 3 zum Vortrag ansetzt, Männergruppe I an seinen Lippen zu kleben beginnt, setzt Männergruppe II zum Störmanöver der phantasielosen Art an. Rasseln, klingeln, laut sein. Männergruppe I zieht weiter, gefolgt von, na, das kann man sich denken.
Auf der angrenzenden Kreuzung Thadenstraße/Hospitalstraße - Überaschung: Männergruppe III tritt auf und trägt ihren Teil zum gerade stattfindenden Autoritäts-Workshop bei. Eine Streifenwagenbesatzung. „Machen Sie bitte die Kreuzung frei.“ Gruppe III gewinnt.
Eine Wohnküche in Eimsbüttel, Dienstag 22 Uhr. Männergruppe I samt Vortragsreisendem ist endlich unter sich, Männergruppen II und III sind abgeschüttelt. Bellicchi macht den Grönemeyer. Kurze, durchaus glaubwürdige Distanzierung vom Faschismus, dann geschäftstüchtige Phrasen auf hohem sprachlichen Niveau. Hätten Sie's gewußt? „Wirkliche Stärke entwickelt sich, wenn man auch schwach sein kann.“ „Haß kommt immer aus einem Gefühl der Hilflosigkeit.“ „Oja, wenn es etwas gibt, was für Männer wichtig ist, dann sind es Rituale.“ Schließlich: „Der Workshop ist unser Geschenk für Männer.“ Ach herrje, welch ein Geschenk für 999 läppische Mark.
Uli Exner
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