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Die Leiden der alten Hasen

■ Sechs Monate Mobbing-Telefon: Frauen am stärksten betroffen

Seit August 1993 haben sich 524 Menschen beim ersten Mobbing-Telefon der Deutschen Angestellten Gewerkschaft (DAG) gemeldet. „Es sind nicht die Neulinge im Betrieb, die es am härtesten trifft“, hat Ulla Dick in der Beratungsarbeit erfahren, „sondern die alten Hasen“. Die Psychologin der AOK hat zweihundert telefonische Gespräche mit Mobbing-Opfern protokolliert und festgestellt: Die gemobbten Anrufer sind meist knapp über 50 Jahre alt und bis zu 15 Jahren im Beruf, drei Viertel von ihnen sind Frauen.

Mobbbing meint keinesfalls den täglichen Ärger am Arbeitsplatz, sondern eine regelrechte Schikane, die sich über Monate erstreckt. Da werden Kollegen von anderen Mitarbeitern schlicht ignoriert, zum Gegenstand übelster Gerüchte gemacht oder plötzlich allein in ein fensterloses Büro ohne Telefon versetzt. Oft sehen die Mobbingbetroffenen sich und ihre Arbeit einem Dauerbeschuß wahllos hervorgebrachter Kritikpunkte ausgesetzt. Die Hälfte der Anrufer gab an, daß der nervenaufreibende Zustand mindestens seit einem halben Jahr, in vielen Fällen auch schon bis zu drei Jahren anhalte.

Ulla Dick: „In 15 Prozent der Fälle liegt der Schikane unmittelbar ein Konflikt zugrunde.“ Bei 84 Prozent der Anrufer sei dagegen der Prozeß des Ausgegrenztwerdens derartig fortgeschritten, daß fast nichts mehr zu machen sei. Oft könne das Arbeitsgericht nur noch über die Höhe der Abfindung entscheiden.

47 Prozent der Gemobbten sind Angestellte in der Freien Wirtschaft. Ein Drittel kommt aus dem Öffentlichen Dienst. Nur bei einem geringen Prozentsatz handelt es sich um Beamte. Alle Betroffenen klagen indes über Depressionen, Suizidgedanken und Magen-Darm-Beschwerden. Viele können nicht schlafen und sind über Wochen arbeitsunfähig. DAG-Chef Uwe Grund möchte daher Mobbing in speziellen Betriebsvereinbarungen geächtet sehen und plädiert für den Einsatz betrieblicher Mobbingbeauftragter. pr

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