: Eine Wohnung – verzweifelt gesucht
■ Eine unspektakuläre und informative Reportage im NDR-Fernsehen
Wohnung verzweifelt gesucht, Freitag, 22.4.94. Deutschland im Jahr der Familie. Sören und Kirsten rechnen sich dem arrivierten Mittelstand zu. Sören ist selbständiger Kfz-Meister, Kirsten Diplompädagogin, zur Zeit in Erziehungsurlaub wegen der fünfzehnmonatigen Tochter Paulina. Zusammen haben sie ein Nettoeinkommen von 4000 Mark, eigentlich genug Geld, um auf dem Hamburger Wohnungsmarkt eine Bleibe zu finden. Denn ihre alte Studentenbude – 47 Quadratmeter, Dusche in der Abstellkammer, Waschgelegenheit in der Küche – ist für die Familie zu klein geworden. Zwischen 1800 und 2000 Mark könnten sie für eine 80-Quadratmeter-Wohnung ausgeben. Dafür müßte doch etwas zu haben sein.
Die Hamburger FernsehjournalistInnen Dörte Schipper und Gregor Petersen begleiten die beiden drei Wochen lang bei ihren Wohnungsbesichtigungen, Maklergesprächen und ihren Streitereien in ihrer Zweizimmerwohnung. In ihrer unspektakulären Reportage zeigten die beiden NDR-Mitarbeiter – fern vom Krawalljournalismus a la „Explosiv“ – die Alltäglichkeit des Wohnungsproblems in deutschen Großstädten auf, und wie sich Spekulanten wie der Hamburger Erotik-Art-Museums-Besitzer Claus Becker, aber auch vormalige Linke wie der Rechtsanwalt und Ex-KBWler Gert Benoit, an der derzeitigen Situation auf dem Wohnungsmarkt bereichern. Benoit etwa, vormaliger Kämpfer gegen die Bonzengesellschaft, (...).
Schipper und Petersen ist es gelungen, den alltäglichen Frust von Wohnungssuchenden in Deutschland an Hand von Sören, Kirsten und ihrer Tochter Paulina aufzuzeigen. Ein Problem, das längst aus den Betroffenheits-Charts gewichen ist, aber dank Luxussanierungen, Umwandlung in Eigentumswohnungen, bevorzugter Vermietung an Doppelverdiener ohne Kinder und fehlender staatlicher Förderungen sich zunehmend zuspitzt. So daß auch Sören und Kirsten feststellen müssen, daß man mit einem eigentlich guten Einkommen längst noch nicht zu den Wohlhabenden in diesem Land gehört, die sich eine familiengerechte Wohnung leisten können – im von der Bundesregierung proklamierten Jahr der Familie. Kai Rehländer
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