Frauen sind Amateure

Aber: Eine Ausnahme macht Ausnahmestürmerin Heidi Mohr – sie wechselt gut belohnt die Dörfer  ■ Von Peter Unfried

Berlin (taz) – Nicht nur im pfälzischen Winzernest Niederkirchen, sondern überall in der kleinen Welt des deutschen Frauenfußballs wird derzeit etwas getan, was Heidi Mohr überhaupt nicht leiden kann. „Es wird viel geredet“, hat die 26jährige mitgekriegt, die zu selbiger Unart überhaupt nicht neigt. Schlimmer: Es wird getratscht, und alles dreht sich um ein Thema: Heidi Mohr, Deutschlands und des TuS Niederkirchens beste Stürmerin, und ihr überraschender Wechsel zum Ligakonkurrenten TuS Ahrbach. 70.000 Mark, argwöhnt der „Sportinformationsdienst“, soll die Mohr dort jährlich verdienen. Ein Honorar, mit dem der Frauenfußball, der es in der Regel mit Fahrtkostenerstattung und minimalen Siegprämien bewenden läßt, in ganz neue Dimensionen vorstößt.

Über Summen, das ist keine Überraschung, mögen weder Ahrbachs Macher Detlev Tank („Ich würde auch eine Million bestätigen“) noch Heidi Mohr reden. Tatsache ist aber, daß es im Westerwaldclub einen Förderkreis gibt, der Geld bereitgestellt hat. Eine hierzulande bisher nicht annäherend erreichte Summe. „Ich wechsle nicht wegen des Geldes“, sagt dennoch Heidi Mohr. Sie habe in ihren vier Niederkirchener Jahren „alles erreicht“, nämlich Meisterschaft (93) und dreimal in Folge die Torschützenköniginnenschaft in der Bundesliga, beim nach oben strebenden TuS Ahrbach könne sie „noch etwas bewegen“. Das klingt schon mal sehr professionell. Außerdem: „Wenn ich die Summen bekäme, würde ich nicht mehr arbeiten.“ Tut sie aber weiterhin als Lageristin in einem Viernheimer Kaufhaus.

In Niederkirchen sieht man die Sache etwas anders. Die Mohr-Familie, in deren Schoß der Single Heidi nach wie vor lebt, soll den Wechsel angeregt haben. „Geld regiert die Welt“, hat Trainer Edgar Hoffmann leicht angesäuert herausgefunden. „Bei dem, was Ahrbach bietet“, sagt der Hauptschul- Konrektor, „können wir nicht mehr mithalten.“ Der Dorfverein, der sich auf die ortsansässigen Winzer und ein Autohaus stützt, ist trotz Meisterschaft etatmäßig längst an seinen Grenzen angekommen und bangt heuer trotz 25 Mohr-Toren um den gewohnten Halbfinalplatz.

Was wird da erst ohne sie? Mit ein bißchen Kleingeld könnte man sich bundesweit nach Ersatz umsehen, und genau das will man vom TuS Ahrbach haben. Doch ob der nach seiner finanziellen Anstrengung noch etwas übrig hat, ist unklar. „Über Ablöse“, sagt jedenfalls Hoffmann, „wurde noch überhaupt nicht gesprochen.“ Regelgerecht; weil die Frauen-Bundesliga Amateurstatus hat, und es Ablösesummen nur im Profifußball gibt.

Der DFB hält sich vornehm raus. Kickende Frauen, heißt es in Frankfurt, seien „Sache der Landesverbände“. So steht es in den Statuten. Nur: Sind die dazu geeignet, einem Fall gerecht zu werden, in dem die branchenführende Fachkraft mit einzigartigem Torquotienten sich umorientiert?

Sind sie, alles ganz simpel, sagt Heinrich Dollmann, Abteilungsleiter Spielbetrieb beim Südwestdeutschen Fußballverband: „Der TuS hat zwei Möglichkeiten: die Freigabe zu erteilen oder die Freigabe zu verweigern.“ Passiert ersteres, darf man getrost annehmen, daß Ahrbach den Niederkirchener Bedürfnissen nach einer „Aufwandsentschädigung“ Verständnis entgegengebracht hat. Passiert zweiteres, bleibt dem Meister der schwache Trost, daß Heidi Mohr bis November gesperrt bleibt und damit fast die komplette Vorrunde verpaßt hätte. „Das Risiko“, sagt die aber jetzt schon, „nehme ich in Kauf.“ Und einiges mehr.

Jeweils freitags wird die gelernte Toremacherin (52 in 66 Länderspielen) sich, da selbst ohne Führerschein, die 140 Kilometer die A 61 hochchauffieren lassen, den Rest der Woche will sie sich bei den von ihrem Bruder trainierten Männern des Bezirksligisten Spfr. Heppenheim „für EM und WM vorbereiten“.

Die stehen beide im kommenden Jahr an. Ein weiteres Ziel: Den bis dato im vorderen Mittelfeld postierten TuS Ahrbach (der durch Siegens Nationalfraudeckerin Jutta Nardenbach verstärkt wird) in die geschlossene Gesellschaft deutscher Spitzenvereine zu schießen. Dort, glaubt Meistermacher Hoffmann, „werden wir auch ohne Heidi dabeisein“. Diesen Sonntag bringt er noch die schnellste Kickerin weit und breit mit nach Ahrbach, und damit dürfte die Hierarchie gewahrt bleiben. Aber demnächst, gibt Heidi Mohr zu bedenken, „wird vielleicht auch Ahrbach zur Spitze gehören – und Niederkirchen nicht mehr“.