: Nachschlag
■ „Die Reise hinter das Licht“ im Ballhaus Naunynstraße
Ein Typ im grünen Jackett macht wahllos Polaroid-Aufnahmen, eine Turnerin flitzt quer durch den Raum, und die attraktive Blonde im kleinen Plastik-Blauen auf dem Baugerüst räkelt sich lasziv im Scheinwerferlicht. Eine Person mit Glatze und von undefinierbarem Geschlecht paradiert im Stechschritt durchs Publikum. Dann purzelt ein Mann – mit altrosa Regenmantel und einer Fliegermütze mit angeschraubtem Fahrradrückspiegel auf dem Kopf – ins Bild. Namen haben die Mitglieder dieser illustren Gesellschaft auch. Sie heißen Mister Cut, Hurry Hunter, Aqua Grell, Cyberlux oder Der reisende D. Mit dabei sind auch fünf Fernsehgeräte und eine ganze Reihe anderer technischer Gerätschaften. Insgesamt neun Szenen verzeichnet das Programmheft der Uraufführung von „Die Reise hinter das Licht“, aber in Wahrheit sind es noch viel mehr. Die Schauplätze des Geschehens, dem die Berliner Künstlergruppe Laterna tragica den kryptischen Untertitel „Eine Hommage an Günther Anders und die Schachteln des Marchand du Sel“ gegeben hat, wechseln rasant.
Bilderfetzen, Handlungsfetzen. Eben noch irrte Der reisende D. (Alfons Kujat) reichlich derangiert und orientierungslos herum, dann ist plötzlich die Turnerin (Catherine F. Grigull) Boß im „Image Building Studio“ und Mister Cut (Ral Gonzales) der Moderator einer Gameshow namens „Einmal ist keinmal“, der jede Gelegenheit nutzt, seine über TV zugeschaltete Kandidatin, Frau Schmatz – „Pardon, Frau Schmitz“ –, plattest durch den Kakao zu ziehen. Gleich darauf wird Bridge Markland als das Wesen Cyberlux auf einer Großbildleinwand allerlei, letztlich böse Überraschungen am Computer erleben. Die Reise hinter das Licht – sie hat in dieser Koproduktion der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst und dem Büro für ungewöhnliche Maßnahmen keinen Anfang und kein Ende, zumindest hat sie kein Ziel. Das gut einstündige Techno- und Virtualitätsdrama (Buch und Regie: Matthis Heinzmann/Barbara Petersen) war als Kritik an der medialen Reizüberflutung gedacht, verbleibt aber selbst ausschließlich auf der Ebene eines Videoclips: bunt, schnell, teilweise furios, mit verblüffenden Effekten und einigem Witz, eine Mischung aus MTV-Spot und einem billigen Science-fiction. Alice in Sonyland, eine Freakshow. Amüsant, kurzweilig, aber auch ebenso schnell vergangen. Ulrich Clewing
Aufführungen bis 23.5., täglich außer Mittwoch und Donnerstag, 20 Uhr, Ballhaus Naunystraße, Naunynstraße 27, Kreuzberg.
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