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Sexuelle Befriedigung unterm Tisch

■ Ausstellung des Moskauer Künstlers Alexander Sokolov: provokant und postmodern

Es erinnert an ein derbes Spiel der Husaren: Die Kämpfer sitzen sich gegenüber, während unter dem Tisch eine Frau einen von ihnen sexuell befriedigt. Ein versteinertes Gesicht ist nötig, um der zweiten Frau über dem Tisch nicht zu verraten, wer von ihnen das ist. Heilige und Hure, Macht und Lust verbinden sich zu einem archaischen Ritual, auf das sich Alexander Sokolovs Installation „Steinernes Gesicht“ in den neu eröffneten Räumen der Chaos Galerie bezieht.

Im Russischen sind die Worte für Interviewen und Fellatio nahezu gleich. So bat der Moskauer Künstler Sokolov zwei Frauen, zwölf Männer zu befragen, die sich mit ästhetischen Kriterien befassen. Provokante Fragen zur Beziehung von Mann und Frau oder der Klassizität in der totalitären Kunst finden eine verwirrende Vielzahl von Antworten. Das Buch mit den Statements von Gejdar Djemal, dem Moskauer Chefideologen der islamischen Partei der Wiedergeburt, dem Philosophen Boris Groys oder dem Kurator der letzten Biennale von Venedig, Achille Bonito Oliva, gehört genauso zum Konzept, wie die zwölf Marmortafeln mit antiken Heroen.

„Joseph Beuys und Arno Breker sind die beiden wichtigsten deutschen Künstler dieses Jahrhunderts“. Mit Thesen wie diesen denkt Sokolov jenseits aller kunstpolitischen Gartenzäune. Humanistische Philosophie, apollinischer Schönheitskult oder islamischer Glaubenskrieg: Alle Begründungssysteme stellt er zur Disposition. Angesichts des Zerfalls der Sowjetunion und der vier Jahre im Exil in Deutschland entspricht die radikale Suche nach tragfähigen Lebensbegründungen der Biographie des Künstlers.

In seiner Wahlheimat Düsseldorf hat er mit Konstantin Latuscher und Alexj Kousnetsov die Neue Moskauer Gruppe gegründet. Der komplexe Symbolismus, der religöse Anspruch und die starke Sprachorientierung sind besonders auffallende Eigenschaften des Moskauer Konzeptualismus. Der postmoderne Blick auf Vergangenheit und Gegenwart gestattet keine neuen allgemeinverbindlichen Ideen. Die Suche nach Sinn und Lust bleibt einzig verbindlicher Glaubenssatz, unter dem der Betrachter allein seine eigenen Standpunkte stets neu bestimmen muß.

Hajo Schiff

Chaos Art Galerie, Margaretenstr. 58, Donnerstags von 13-21 Uhr und nach telefonischer Vereinbarung, bis 5. Mai.

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