: Vorauseilender Gehorsam gegenüber dem vermeintlich politisch Korrekten -betr.: "Die Stunde der Bedenkenträger", taz vom 25.4.94
Betr.: „Die Stunde der Bedenkenträger“, taz-Bremen vom 25.4.
Ohne die Diskussion über „die Wirkung von Schindlers Liste“ in der Schauburg verfolgt zu haben: du wirst wohl recht haben, die Wirkung der Thesen der „Expertenrunde“ als „peinigend“ zu beschreiben.
Doch möchte ich daran erinnern, daß es auch andere Zeiten gab: Als der Film gerade mal zwei Tage in deutschen Kinos lief, traute sich „Welt“-Mann Willi Tremper in der Talkshow „Drei nach Neun“ ihn als „schlechten Film“ zu bezeichnen. Bevor er seine Provokation begründen konnte, wurde er von fast allen Anwesenden unter der „Gesprächsführung“ der geifernden Juliane Bartels derart niedergemacht, daß man um den Kreislauf des schnaufenden Kettenrauchers fürchten mußte: Undenkbar, daß da einer sich damals nicht „betroffen“ zeigte, gar rumnölte: Sprechverbot.
Daß nun, wo „Schindlers Liste“ bis in Bravo- und Bildleserkreise hinein Bestürzung und Ratlosigkeit hinterläßt, das Pendel in die andere Richtung schlägt und es in „Expertenrunden“ und Kommentaren chic zu werden scheint, nebensächliche Schwächen des Films mit erhobenem Zeigefinger zu „wesentlichen“ Fehlern aufzuschäumen, erstaunt da doch eigentlich kaum: Der vorauseilende Gehorsam gegenüber dem vermeintlich politisch Korrekten – immer das Ohr am Herzschlag der Metropolen – erfordert schnelles Umdenken, und in Bremen hat er Tradition.
Rainer Köster
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