piwik no script img

Sprachmusik zum Township-Beat

Keine „Volkskunst“, keine Folklore, kein schöner Gesang vom edlen Wilden: Wirklich neue Töne aus Südafrika kommen von Lesego Rampolokeng, dem rappenden Dichter der Vorstädte. Jetzt auf Tour.  ■ Von Anna-Bianca Krause

Zu harten Beats, unterlegt von sparsamen elektronischen Sounds, trägt ein knapp dreißigjähriger Mann seine wütenden Weltsichten vor. In Rap-Reimen – wie sonst? – berichtet er vom Krieg zwischen den Menschen, von Gewalt, Religion, Sexualität, Schönheit, Liebe. Die poetische Provokation, die indirekten Bildern, Assoziationen und Fragen den Vorrang gibt statt Problemlösungen anzubieten, liegt in diesem melodiösen Sprechgesang, gerapte Litanei einerseits, aber auch traditionelles Story Telling, Township-Beat, gesellschaftskritische Sprachcollage.

Lesego Rampolokeng, Dichter und Performer aus der Peripherie Johannesburgs, anläßlich der 3. Internationalen Literaturtage in Erlangen als Entdeckung gefeiert, dehnt manches Wort endlos in die Länge, läßt einzelne Silben auf der Zunge zergehen. Die Rhythmik entsteht zwischen pointiert ausgesprochenen Konsonanten, die sich hart an samtenen Vokalen reiben. Unüberhörbar wird die musikalische Ebene von Sprache; auch oder gerade im Englischen, in dem der Autor sich heimischer fühlt als in jeder afrikanischen Sprache.

Rampolokeng ist nämlich kein „Volksdichter“. Zu verklausuliert sind seine Bilder und Botschaften, zu sehr hat er sich vom Monopolthema „schwarzer“ Texte – Rassismus und Apartheid – entfernt. „Ich bin ein Rebell. Meine Rebellion ist indessen nicht an politische Umstände gebunden. Die Menschen werden miteinander immer Konflikte haben. Wenn nun plötzlich bestimmte politische Vorstellungen nicht mehr gültig sind und gewisse Politiker und Dichter arbeitslos werden, dann ist das ihr Problem. Ich habe andere Probleme, und zwar mit den politischen Organisationen in Südafrika. Meine Rebellion richtet sich nicht nur gegen das anerkanntermaßen unmenschliche Regime, das ist selbstverständlicher Teil meiner Auseinandersetzung, sondern generell gegen Ungerechtigkeit, Unterdrückung und Unwürde. Ich begehre nicht nur gegen äußere Verhältnisse auf, sondern auch gegen innere. Wenn sich in Südafrika die Situation verbessert, verändern sich nicht automatisch meine Existenz oder meine Beziehungen, zum Beispiel zu meinem Kind oder meiner Mutter. Auch diese inneren und zwischenmenschlichen Kämpfe gilt es anzuschauen. Und deshalb werde ich wohl nie arbeitslos.“

Dieses Statement aus einem Interview bei DRS 2 zeigt, wie wenig Rampolokeng ein Befreiungsdichter im üblichen Sinne ist. Mutwillig zerstört er zementierte Feindbildklischees, eingespielte Schemata zwischen Publikum und KünstlerInnen. Auf Agitation kommt es weniger an als auf individuellen Ausdruck – weshalb der verspielt- rabiate Sprechgesang bei radikaleren Gruppierungen, auch des ANC, nicht unbedingt beliebt ist.

Rampolokeng ist symptomatisch für eine neugewonnene Subjektivität innerhalb der südafrikanischen Gesellschaft, die sich ihre Empfindungen nicht mehr von den traditionellen Kollektiven vorschreiben lassen will. Zwar begreift er sich als Gesellschaftskritiker, als sozialer Kommentator, doch er glaubt weder an eine schnelle Verwirklichung von Utopien noch an das Ende der Klassengesellschaft. Nicht die „schwarze Identität“ steht im Vordergrund, sondern das frühkindliche Horrorerlebnis Religion, das Leben am Rand der Metropole, Sexualität als Lebenstatsache.

Letztes Zeugnis dieser urbanen Poesie ist eine zusammen mit den Kalahari Surfers entstandene CD. „End Beginnings“ (erschienen bei ReR/Vertrieb über EFA) verbindet die genialen Sample-Spielereien von Warrick Sony – ein Webmuster aus südafrikanischen Straßenszenen, Politikerreden, Film- und Fernseh-O-Tönen – mit den eindrucksvoll groovenden Botschaften Rampolokengs. Rap, Reggae und Blues sind im Hintergrund seiner Wortkaskaden stets präsent, doch formal auf ein Genre festlegen lassen sich diese Töne nicht: „They came in the heat of rum, to freeze the beat of my drum.“

Daß Rampolokeng allmählich auch außerhalb seines Landes Anerkennung bekommt, hat viel mit Veröffentlichungen wie dieser zu tun. Der Kulturboykott, mit dem der Rest der Welt das Ende der Apartheid erzwingen wollte, hat dazu geführt, daß, von wenigen exilierten Stars wie Dollar Brand oder Miriam Makeba abgesehen, die meisten KünstlerInnen aus Südafrika hierzulande kaum bekannt sind. Interessante Entwicklungen der letzten Jahre, die sich parallel zur langsamen politischen Veränderung trotz Zensur einen Weg bahnten, werden erst allmählich wahrgenommen; wenn auch manchmal nur, weil sich weiße Popstars wie Paul Simon ihrer annahmen.

Zudem wird der oralen Literatur außerhalb Afrikas immer noch nur der Rang einer „Volkskunst“ zugestanden. Wer seine Werke nicht in gedruckter Form vorlegen kann, ist für die westliche Literaturkritik nicht existent, kann sich keinen Platz in der Ewigkeit des Buches sichern. Für Rampolokeng selbst, der bislang ein Buch (den Gedichtband „Talking Rain“) beim südafrikanischen Schriftstellerverband Cosaw veröffentlichen konnte, ist der schlechte Ruf der Oralität weder ein Argument für noch gegen den mündlichen Textvortrag. Sein Blickwinkel ist ein ganz anderer: „Zu sagen, Oralität gehöre zu Afrika, ist schlicht Geschichtsfälschung. Dahinter steht der Wunsch, den edlen Wilden zu schaffen und Afrika als Wiege der Zivilisation darzustellen. Das ist Romantizismus, und zwar von der übelsten Sorte.“

Lesego Rampolokeng fühlt sich zwischen den Polen Rap und traditionellem Story Telling zu Hause, ist den Disposable Heroes of Hiphoprisy ebenso verbunden wie Linton Kwesi Johnson und geprägt von einer Jugend in der Black Consciousness-Bewegung des Steve Biko.

Beim Festival „Neue Töne aus Südafrika“, das das Berliner Haus der Kulturen der Welt anläßlich der ersten demokratischen Wahlen in der Geschichte der Republik Südafrika auf die Beine stellte, wird Rampolokeng der mit Sicherheit interessanteste Act sein.

Begleitet wird er diesmal von dem melancholisch-gefühlvollen und sehr viel lyrischeren Vusi Mahlasela, genannt „The Voice“. Die Stimme des gleichaltrigen Sängers, Gitarristen und Autors ist weich und soulful, scheinbar mühelos schwingt er sich zu höchsten Tönen empor. Seine Texte sind hoffnungsvolle, oft religiöse Botschaften – und sehr viel versöhnlicher als die inhaltlichen Attacken Rampolokengs, der von sich sagt: „My tongue has no speed limit.“

Lesego Rampolokeng rapt heute abend um 20 Uhr im Haus der Kulturen der Welt, John-Foster-Dulles-Allee 10, Berlin-Tiergarten.

Weitere Tour-Termine: 2.5. Braunschweig, Kulturamt der Stadt; 3.5. Leipzig, Städtische Bibliothek; 4.5. Frankfurt/Main, Gesellschaft zur Förderung der Literatur aus Lateinamerika, Asien und Afrika; 6.5. Hannover, Afrika- Initiative; 7.5. Bonn, ISSA; 8.5. Augsburg, Verein Partnerschaft Dritte Welt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen