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Musikschulen Opfer des Sparkonzerts

■ Senat will die 23 bezirklichen Musikschulen privatisieren / 52.000 MusikschülerInnen drohen doppelt so hohe Gebühren

Der Rotstift des Senats hat jetzt die dreiundzwanzig bezirklichen Musikschulen erreicht: Sie sollen privatisiert werden. Leidtragende sind nicht nur die 2.300 festen und freien Mitarbeiter, sondern auch die 52.000 SchülerInnen und deren Eltern: Sie dürfen sich auf drastisch höhere Gebühren einrichten.

Die Stadt kosten die Musikschulen derzeit jährlich 61 Millionen Mark; nach Abzug der eingenommenen Teilnahmegebühren von 28 Millionen Mark bleibt ein Verlust von 33 Millionen Mark. Mit der Privatisierung sollen vor allem die Personalkosten für die derzeit 379 festangestellten Lehrkräfte eingespart werden, heißt es in der Vorlage, die von der Innenverwaltung erarbeitet wurde. Sorgen um ihren Arbeitsplatz machen sich auch die fast 2.000 freiberuflichen MusiklehrerInnen. „Wenn die Musikschulen privatisiert werden, wird es Musikunterricht nur noch für eine Geldelite geben“, so das Resümee von Dieter Pohl, Leiter der Musikschule Pankow: „Wir werden dann zum Höhere-Töchter-Institut.“ Derzeit verlangen die Westberliner Schulen monatlich 134,04 DM bei einer Wochenstunde Unterricht, in Ostberlin zahlen die Schüler nur 70,60 Mark.

Auch bei der eigentlich zuständigen Senatsverwaltung sieht man die beschlossene Privatisierung kritisch. Kristian Kober, zuständig für den Bereich Musikschulen bei der Senatsverwaltung für Jugend und Familie, schätzt, daß nach einer Privatisierung der Schulen mindestens 250 Mark pro Monat von den Schülern verlangt werden müßten. Solche Preise wären jedoch „illusorisch und der Tod der Musikschulen“. Um dies zu vermeiden, müßte der Senat mit den eingesparten Personalmitteln eigentlich die künftig privaten Musikschulen subventionieren. Dies sei aber „unsinnig“ und auch nicht zu erwarten. Zu erwarten sei vielmehr neben einer enormen Preissteigerung auch eine Einschränkung des breitgefächerten Angebots der Musikschulen. Die Orchesterarbeit, der gesamte Rock-Pop- Bereich, „also die wirklich wichtige Jugendarbeit“, würden wegfallen, befürchtet Dieter Pohl, denn „das könnte sich eine gewinnorientierte Schule nicht mehr leisten“.

„Wer eine Geige in der Hand hat, wirft keinen Stein“, ergänzt Kristian Kober. Die Arbeit der Musikschulen sei gerade im sozialen Bereich sehr wichtig, um die Kinder und Jugendlichen von der Straße wegzuholen, die Aggressionsbereitschaft einzuschränken.

Gefährdet ist bei einer Privatisierung auch die stark subventionierte Begabtenförderung, die auf ein Musikstudium vorbereitet. Ebenso die Schülerkonzerte, ärgert sich Renate Gretsch, Leiterin der Musikschule Schöneberg. Dabei seien diese Vorführungen für die Motivation der Schüler enorm wichtig, aber eben auch teuer, da Eltern und Freunde keinen Eintritt bezahlen müssen. Judith Gampl

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