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Schneidet, schnell!

■ Neues aus der Gebärszene: Heute lassen Gebärende wieder fast alles mit sich machen / Und: Seit gestern gibt es einen Zentralen Hebammen-Ruf

Rasur, Einlauf, Bad – und dann ab an den Wehenschreiber. So wurden Hochschwangere einst abgefertigt. Passé. Der Kaiserschnitt gilt längst nicht mehr als Lösung aller Probleme, und auch um den Dammschnitt tobte jahrelang ein erbitterter Kampf. Allmählich verschwanden die Maschinen aus den Kreißsälen, Palmen wurden hineingestellt. Passé sind mittlerweile aber auch schon wieder die Zeiten der kämpferischen Wöchnerinnen. Heute, sagt Katja Janssen vom Hebammen-Landesverband Bremen, heute nehme ein Großteil der Frauen eher wieder alle medizinischen Angebote an. Selbst wenn ihnen der Wehentropf vorgeschlagen wird, sagen sie nur „ja ja, machen Sie nur“. Viele würden die Verantwortung wieder völlig abgeben ans medizinische Personal.

Hatten Gebärende noch vor wenigen Jahren die Kreißsaal-ÄrztInnen angeraunzt: „Haltet den Damm!“ – so bitten Gebärende heute eher: „Schneidet bloß, Hauptsache es geht schnell, und das Kind ist gesund.“ Eine Ursache sieht die Hebamme Monika Haas in dem zunehmenden Druck auf Schwangere, alles zu tun, daß sie ein gesundes Kind zur Welt bringen. Habe man im Kreißsaal Anfang der 80er ganz stark auch das Wohlergehen der Mutter im Auge gehabt, so habe sich das Gleichgewicht eindeutig zum Kind hin verschoben. Wehentropf, Rückenmarks-Narkose? Her damit!

Doch in den letzten Momenten der Geburt kann die Hebamme auch mit Medikamenten nicht mehr dienen, sonst hat das Kind sie im Leib. Das sind die Momente, in denen die Frauen Sätze sagen wie „Ich mag nicht mehr. Ich spring jetzt aus dem Fenster.“ Momente, in denen die Hebamme dringend bei der Gebärenden bleiben muß. Immer wieder aber muß sie gleichzeitig mehrere Gebärende betreuen. An zwei Bremer Krankenhäusern wird offenbar die Planstellenquote, die solche Fälle möglichst verhindern soll, nicht eingehalten.

Wenn dann noch Männer dabei sind, die sich nicht recht um sich selbst kümmern können und vor Hunger fast umkippen oder die so enge Jeans anhaben, daß ihnen die Beine einschlafen ... Oder Männer, die über eigene Krankenhausaufenthalte erzählen (“Ich hab' damals auch einen Einlauf gekriegt – furchtbar, sag ich nur“) oder Männer, die antworten, wenn ihre Frau nach der Wehenhäufigkeit gefragt wird. „Eigentlich haben wir wenig Probleme mit den Männern, aber manche sehen nicht ein, daß sie jetzt nicht der Mittelpunkt sind.“

Mit den Ängsten und Fragen geht es nach der Geburt oft erst so richtig los. Allein die Pickelfrage: Ist dieser Pickel auf dem Kinderpopo noch normal oder hat der was zu bedeuten? Viele Schwangere lesen regaleweise Bücher über Geburt und Wochenbett, doch am eigenen Leib fühlt es sich doch ganz fremd an: Wieso tut die Brust weh, wieso heule ich schon den ganzen Tag, und überhaupt, wird das Kind eigentlich satt? Hebammen stehen den Frauen nicht nur bei der Geburt, sondern auch in der Wochenbettzeit bei. Sie sagen ihnen, daß es ganz normal ist, wenn die Brust beim Milcheinschuß zwei Tage weh tut. Genauso normal wie der Heultag am dritten, vierten Tag nach der Geburt, wenn man schon losheult, nur weil einen jemand auf dem Krankenhausflur nicht grüßt. Das kommt nicht nur von den Hormomen. „Auch wenn sich eine Frau tierisch freut über das Kind, kann so eine große Verantwortung auch sehr drücken“, sagt Monika Haas.

Seit gestern nun, seit dem diesjährigen Internationalen Hebammentag, gibt es in Bremen einen Zentralen Hebammen-Ruf, über den ohne große Telefoniererei Hebammen-Dienstleistungen angefordert werden können. Hebammen aus Bremen und umzu teilen dem Hebammen-Rud ihre noch freien Termine mit. Mit diesem Service bereitet sich der Bremer Hebammen-Verband schon auf die harschen Zeiten vor, da die Krankenhäuser nur noch eine Pauschale pro Geburt von den Krankenkassen bekommen, nicht aber mehr die tatsächlichen Aufenthaltstage. Dann könnte es sein, daß die Krankenhäuser die Wöchnerinnen wie in den USA im Regelfall schon nach zwei Tagen entlassen, um Geld zu sparen. Der Bedarf an Hausbesuchen durch Hebammen steigt dann natürlich. Gebraucht werden sie, doch die Bezahlung ist dürftig: Die Gebührenordnung sieht zum Beispiel für eine 13stündige Hausgeburt 245 Mark vor, für einen Wochenbettbescuh 37 Mark.

Zentraler Hebammen-Ruf: 707030, Mo., Do., Fr. von 9-11 Uhr, Di., Mi. von 15-17 Uhr.

Christine Holch

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