piwik no script img

■ Zur Italien-Resolution des EuropaparlamentsDilettantischer geht's nimmer!

Ein dümmerer Termin und ein einfältigerer Text hätte Straßburgs Europaparlament wirklich nicht einfallen können, um die ohnehin nicht einfachen Dinge in Italien noch mehr zu komplizieren. Gerade jetzt, wo sich eine breite Mehrheit im Lande gegen jegliche Übertragung von Ressorts an auch nur verdachtsweise faschistische Minister formierte; wo sich Staatspräsident Scalfaro persönlich zum Garanten der Demokratie und der Einhaltung aller europäischen und internationalen Verpflichtungen machte. Wo auch der Koalitionspartner „Liga Nord“ schon der von ihr begehrten größeren Mitbestimmung der Regionen wegen ein absolutes Veto gegen stramm autoritäre Rechte einlegen – gerade da muß Straßburg mit dem Holzhammer daherkommen!

Natürlich hat die Europäische Union das Recht zur Wortmeldung, wenn sie bestehende Verträge in Gefahr sieht. Doch als Neofaschisten kürzlich die Verträge von Osimo (über Istrien und Dalmatien) in Frage stellten, da gab es keinerlei Reaktion aus Brüssel. Und natürlich müssen die Demokratiewächter dort einsteigen, wo Menschenrechte verletzt werden. Doch bisher gibt es nicht nur keine Regierung in Italien, also auch niemanden, der derlei versuchen könnte. Vielmehr hat sich gezeigt: Schon die leichtesten Versuchsballons von Ressort-Aspiranten, etwa am bestehenden Justizsystem oder dem vor wenigen Monaten abgezeichneten Sozialpakt herumzufummeln, lösten eine derartige Protest- und Widerstandswelle aus, daß vorläufig jedenfalls nicht mit einem Durchmarsch zu rechnen ist. Die Korruptionsermittler stecken jedenfalls weiter hohe Tiere in den Knast, die Gerichte sprechen sie schuldig. Und die Meinungsumfragen zeigen, daß Berlusconi mittlerweile wieder verliert, weil er zu wenig von dem einhält, was er versprochen hat.

Italiens Bürger erweisen sich derzeit demokratisch viel reifer, als es das Ausland und insbesondere die Euro-Volksvertreter sehen. Ja, vielleicht sogar demokratischer als die Straßburger Helden selbst, die offenbar nicht unterscheiden können zwischen einer – in ihre Kompetenz fallende – Bekräftigung geschlossener Verträge und einer Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Landes, das immerhin in demokratischen Wahlen eine Wende beschlossen hat. Wie gesagt: Dilettantischer ging's nimmer. Werner Raith

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen