: Nur ein Papiertiger
■ Wettbewerb Spreeinsel: Jury berät über Neubauten auf dem Marx-Engels-Platz / Außenamt und Kongreßzentrum geplant
Im städtebaulichen Wettbewerb „Spreeinsel“ fällt in dieser Woche die Entscheidung. Seit gestern berät die Jury über die Entwürfe für die Neubauten des Außenamtes und des Kongreßzentrums sowie über zusätzliche Bauten des Bundesinnenministeriums auf dem 41 Hektar großen Areal zwischen Marx-Engels-Platz und Spittelmarkt. Die 19köpfige Jury unter dem Vorsitz des Hamburger Architekten Gerhard Laage wird außerdem zu entscheiden haben, ob anstelle des asbestverseuchten Palastes der Republik ein Neubau oder eine Rekonstruktion des Stadtschlosses entstehen soll. Das kriegszerstörte barocke Schloß war 1950 als Symbol des preußischen Militarismus auf Antrag Ulbrichts abgetragen worden.
Dem Erhalt des sozialistischen „Volkshauses“ und seiner Integration in ein neues Ensemble werden trotz der Neuauflage der Asbestdiskussion kaum Chancen eingeräumt. Ebenfalls auf der Abrißliste steht das frühere Außenministerium der DDR. Dagegen ist die Zukunft des Staatsratsgebäudes an der Werderstraße offen. Der Wiederaufbau der Schinkelschen Bauakademie in den historischen Formen und Volumina bleibt den Architekten des Bauwettbewerbs ebenfalls freigestellt.
Im Wettbewerbsrennen sind noch 52 Architekten und Städtebauer. Nach einer „ersten Stufe“ wurden sie Ende 1993 unter insgesamt 1.106 Teilnehmern zur Weiterarbeit ausgewählt. Der internationale Ideenwettbewerb war nach langen Diskussionen um die Zukunft des Geländes vor beinahe einem Jahr von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sowie dem Bundesbauministerium ausgelobt worden. Mehr als 2.000 Architekten aus über 60 Ländern hatten die Ausschreibungsunterlagen angefordert, fast ebenso viele wie beim Wettbewerb für die Parlamentsbauten am Spreebogen.
Die Jury wird allerdings über kaum mehr als über Papierarchitektur entscheiden können. Der Haushaltsausschuß des Bundestages hat alle Gelder für Neubauten gestrichen. Die Bundesministerien werden in Berlin erst einmal in Altbauten einziehen müssen. Das Innenministerium soll in der ehemaligen Reichsbank (späteres ZK der SED) beherbergt werden. Das Außenamt „prüft“ noch Gebäude: Im Gespräch sind das Quartier Napoleon und das Haus der Ministerien in der Leipziger Straße. Die Zukunft des Kongreßzentrums liegt ebenfalls auf Eis. Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer ficht das wenig an. Nach seiner Ansicht geht es um die städtebauliche Klärung der Mitte und des historischen Berliner Zentrums. Die Wettbewerbsentscheidung sei eine Maßgabe für Bauvorhaben im nächsten Jahrtausend, sagte Hassemer. Rolf Lautenschläger
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