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FDP läßt Herzog im Fettnapf sitzen

■ FDP kritisiert Ablehnung der doppelten Staatsbürgerschaft / SPD und Immigrantenverbände empört

Berlin (taz) – Auf ihre Stimmen ist er angewiesen, aber jetzt hat er sie erst einmal vergrätzt. Ausgerechnet nachdem es als gesichert gilt, daß die Liberalen im dritten Wahlgang am 23. Mai für Roman Herzog stimmen werden, spricht sich der Kandidat in aller Öffentlichkeit gegen eine generelle Möglichkeit doppelter Staatsbürgerschaft für Ausländer aus. „Ich frage mich, ob es zweckmäßig ist, wenn der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, der Bundespräsident werden möchte, so viele Interviews gibt“, kommentierte gestern FDP-Generalsekretär Werner Hoyer. „Wir haben eine andere Meinung“, sagte er und verwies auf die Entscheidung der Koalition, die Neuregelung des Staatsbürgerrechts auf die nächste Legislaturperiode zu vertagen.

Dann will die FDP nämlich das seit 1913 geltende deutsche Staatsbürgerrecht abschaffen und dafür das Gebietsabstammungsrecht (ius soli) verankern. Roman Herzog plädierte dafür, man solle Ausländern der zweiten oder dritten Generation die deutsche Staatsbürgerschaft anbieten. Aber er fügte hinzu: „Schlagen sie diese aus, sollte man ihnen nach einem großzügig bemessenen Zeitraum sagen: ,Wir erwarten von euch die Rückkehr in das Land, das ihr offensichtlich als eure Heimat betrachtet.‘“

Dieser Satz verärgerte gestern auch die SPD. Er sei „geradezu wahnsinnig unbarmherzig“, meinte Generalsekretär Günter Verheugen. Es sei gegen alle bisherige Ausländerpolitik und „völlig unakzeptabel“, daß Herzog die hier seit langem lebenden AusländerInnen vor ein „Entweder-Oder“ stellen möchte. Die Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft müsse freiwillig sein, und das Gastrecht gelte auch für die, die nicht Deutsche werden wollten: „Entscheidend ist“, so Verheugen, „daß die Möglichkeit für Ausländer, staatsbürgerliche Rechte zu erhalten, erleichtert wird.“ Im Scharping-Regierungsprogramm heißt es dazu, daß jedes in Deutschland geborene Kind „rechtmäßig hier lebender ausländischer Eltern“ automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten solle.

Heftige Reaktion provozierte Herzogs Vorschlag bei den Immigrantenorganisationen. „Die Türken fordern Herrn Herzog auf, seine Kandidatur niederzulegen und auf das Amt zu verzichten“, hieß es in einer Erklärung der Türkischen Gemeinde in Berlin-Brandenburg. aku

Bericht Seite 4, Kommentar Seite 10

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