: Mit neugierigen Fragen leben
Das größte Problem einer binationalen Partnerschaft ist immer ihre Umwelt: von der Familie über die Nachbarn bis zu den Angst schürenden Behörden ■ Von Mechthild Duppel-Takayama
Bildungsurlaub zum Thema Japan. Eine sympathische Gruppe von Männern und Frauen, kritisch und aufmerksam. Wir diskutieren über soziale Strukturen und Abhängigkeiten, die Situation von Frauen und ihre Aufstiegschancen in japanischen Firmen. Völlig unvermittelt dann die Frage einer Teilnehmerin: „Sie sind doch mit einem Japaner verheiratet. Wie funktioniert Ihre Ehe denn so?“
Ich erinnere mich noch genau, wie verblüfft ich zunächst war und dann empört und wütend. Was erwartete die Teilnehmerin? Wie kam sie dazu, mir eine solch persönliche Frage zu stellen?
Binationale machen neugierig. Und sie leben damit, eine öffentliche Beziehung zu führen. Ganz selbstverständlich werden nicht nur Intimitäten abgefragt, sondern vor allem auch „die Probleme“. Dabei ist das größte Problem einer binationalen Partnerschaft ihre Umwelt: die Eltern, die Sohn oder Tochter ins Unglück rennen sehen, und die deren „Mischlingskinder“ schon bedauern, bevor sie geboren sind; Freunde, die nur das Beste wollen und dann den Kontakt abbrechen; KollegInnen und der Chef („Sie haben es doch nicht nötig!“), Nachbarn und Vermieter, die rassistische Bemerkungen machen.
Allein die Auseinandersetzung mit dem persönlichen Umfeld kostet gerade zu Beginn einer binationalen Partnerschaft immense Kraft. Die Beziehung muß stets nach außen verteidigt werden, Ängste, Unsicherheiten, tatsächlich bestehende Differenzen werden verschwiegen, verharmlost, oft sogar verdrängt. Nur Harmonie gilt als Gegenargument und nur der Erfolg zählt und bewahrt vor dem triumphierenden Mitleid der Wohlmeinenden.
Ein deutsches Paar mag ähnliche Schwierigkeiten mit Verwandten und Freunden haben, wenn die Wahl nicht auf einen standesgemäßen Partner fällt. Eine weitere Auseinandersetzung jedoch müssen Binationale exklusiv führen: die mit den deutschen Behörden und dem Ausländergesetz. Hier steht kein Mitleid am Ende einer Beziehung, sondern unter Umständen die Ausweisung eines Partners. Und schon zu Beginn greift entscheidend und unerbittlich diese bis dahin unbekannte Größe in den privaten Bereich zweier Menschen ein, die zunächst nur eines wollen: in Deutschland zusammenleben. Oft hat nämlich der oder die nichtdeutsche PartnerIn keinen gesicherten Aufenthaltsstatus. Läuft das Touristenvisum aus, ist das Studium beendet, wird der Asylantrag endgültig abgelehnt, steht das Paar vor der Entscheidung, innerhalb kürzester Frist zu heiraten oder aber für nicht absehbare Zeit – vielleicht für immer – getrennt zu werden. Sicher würden sich viele Binationale gerne intensiver kennenlernen vor einer Eheschließung, würden eventuell jahrelang unverheiratet zusammenleben, wie es deutschen Paaren möglich ist. Aber weder eine „Verlobungszeit“ noch eine „Ehe auf Probe“ wird Binationalen zugestanden. Um so erstaunlicher, daß die Scheidungsrate solcher Ehen nicht über der deutscher liegt. Ein statistischer Beweis für die Stabilität binationaler Beziehungen, die angeblich problematisch sind.
Doch mit dem Entschluß zu heiraten sind die ausländerrechtlichen Hürden noch lange nicht genommen. Um die Ehe überhaupt schließen zu können, müssen zunächst diverse Papiere aus dem Ausland beschafft werden, beglaubigt von zwei verschiedenen einheimischen Behörden und von der deutschen Auslandsvertretung. Die deutschen BeamtInnen sollen dabei lediglich bestätigen, daß die Urkunden korrekt ausgestellt wurden – den Inhalt brauchen sie nicht zu überprüfen. Sie brauchen weder Nachforschungen über die Familie des oder der Heiratswilligen anzustellen noch ein amtsärztliches Gutachten über den Geisteszustand des ausländischen Verlobten zu verlangen (beides praktiziert von der deutschen Botschaft in Islamabad).
Eine schikanöse Behandlung, falsche Information, monatelange Verzögerungen: Bereits im Ausland bemühen sich deutsche Behörden ganz offensichtlich, binationale Ehen und damit jeweils einen Ausländer mehr in Deutschland zu verhindern.
Heiratet das Paar schließlich entnervt im Land des ausländischen Partners oder der Partnerin, dann ist die deutsche Botschaft immer noch für die Registrierung der Ehe und vor allem für das Einreisevisum „zum Zwecke der Familienzusammenführung“ zuständig und damit nie zu vermeiden. Daß auch eine Familienzusammenführung dauern kann, zeigte jüngst der vom Verband binationaler Familien und Partnerschaften (IAF) betreute Fall eines deutsch-gambischen Paares. Nach mehr als fünfjährigem Behörden-Hickhack durfte der Ehemann schließlich aus Gambia zu seiner Frau und seiner Tochter nach Deutschland einreisen.
Ärger und Unsicherheit begleiten binationale Paare auch nach der Einreise – beziehungsweise der Eheschließung im Inland – über Jahre hinweg. Mit der Heirat erhält der oder die ausländische PartnerIn zunächst eine befristete Aufenthaltserlaubnis, die oft jährlich verlängert werden muß. Trennt sich das Paar vor Ablauf von vier Jahren, verliert der ausländische Teil die Aufenthaltsgenehmigung und muß ausreisen. Härtefallregelung: Frauen, die von ihren deutschen Ehemännern brutal mißhandelt werden, erhalten bereits nach dreijähriger (!) Ehe einen eigenständigen Aufenthaltsstatus. Aber so lange müssen sie schon bei ihm aushalten!
Nach mehreren Jahren können Deutschverheiratete die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen. Doch nicht nur in den Augen der Nachbarn, sondern offensichtlich auch bei den Behörden sind im Falle solcher Neu-Deutschen einige Abstriche zu machen. Wie sonst ließe sich der „Fall Wurstmacher“ erklären, der durch alle Medien ging und für den sich die IAF ebenfalls über Jahre hinweg einsetzte. Dabei wollten ein Deutscher pakistanischer Herkunft und seine deutsche Frau die Mutter aus Pakistan für drei Monate zu sich einladen. Der Visa-Antrag der alten Dame wurde jedoch standhaft abgelehnt – sie hätte ja gleich ihren ganzen Lebensabend hier verbringen können!
Fazit: Ohne die fachliche Inkompetenz und die Weigerung vieler BeamtInnen, ihren Ermessensspielraum zu nützen, und natürlich auch ohne die einschlägigen restriktiven Bestimmungen des Ausländergesetzes hätten binationale Paare einige wesentliche Probleme weniger.
Ebenso erstaunlich wie das Verhalten der Behörden ist das der persönlichen Umgebung binationaler Paare, wenn man bedenkt, daß Binationale weder eine besonders neue Erscheinung noch eine Seltenheit sind. Das „Phänomen der Grenzüberschreitung“, schreibt Eva Verma in ihrem hervorragend recherchierten Buch „Wo du auch herkommst: binationale Paare durch die Jahrtausende“ ist „nicht nur durch alle Zeiten, sondern auch rund um den Erdball in allen Gemeinschaften nachzuweisen“.
Berechnungen der IAF besagen, daß in Deutschland seit 1950 mehr als eine Million Eheschließungen zwischen Deutschen und einem Partner oder einer Partnerin mit anderer Staatsangehörigkeit stattgefunden haben. Jährlich kommen annähernd 40.000 Trauungen hinzu. In ganz Europa leben – soweit Eheschließungen zwischen PartnerInnen unterschiedlicher Nationalität überhaupt statistisch erfaßt werden – inzwischen weit mehr als sechs Millionen binationaler Familien.
Wann aber werden Angehörige dieser großen Minderheit nicht mehr neugierige Fragen beantworten müssen?
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