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Schuldenerlaß nach sieben Jahren

Doch überschuldete Mitmenschen müssen in Zukunft ein kompliziertes Verfahren durchlaufen / Die Bundesländer wehren sich gegen das gerade beschlossene Insolvenzrecht  ■ Von Barbara Dribbusch

Berlin(taz) – Eigentlich müßten die überschuldeten Haushalte in Deutschland aufatmen können. Denn mit dem neuen Insolvenzrecht, das im Bundestag kürzlich verabschiedet wurde, kann überschuldeten Privatpersonen vom Januar 1997 an nach sieben Jahren Lohnpfändung eine „Restschuldbefreiung“ gewährt werden. Was sich gut liest, erweist sich bei genauerem Hinsehen aber als Hürdenlauf über Gerichte, Treuhänder und Gläubigerversammlungen. Zu teuer, zu aufwendig und zu langwierig – so lautet die Kritik von Schuldnerberatungen und Verbraucherverbänden an der neuen Regelung.

Mit dem neuen Recht soll möglich werden, was erfolglosen Unternehmern erlaubt, Konsumenten aber bisher versagt war: Konkurs anzumelden. Nicht mehr dreißig Jahre lang soll der Privatschuldner für seine Verpflichtungen haften, vielmehr kann er einen „Antrag auf Restschuldbefreiung“ stellen, der ihn nach sieben Jahren der Pfändung seines Einkommens aus dem Schuldenturm entläßt.

„Nicht in allen, aber in vielen Fällen kann eine solche Regelung sinnvoll sein“, sagt Sven Gärtner vom Berliner Arbeitskreis Neue Armut. Zum Beispiel im Falle des arbeitslosen Heizungsmonteurs, der mit 86.000 Mark bei mehreren Gläubigern in der Kreide steht. Der Mann gehört zu jenen Schuldnern, die ihre Kredite noch vor Inkrafttreten des Verbraucherkreditgesetzes im Jahre 1991 aufgenommen haben. Seine Abzahlungsraten werden erst auf die Zinsen, dann auf die Hauptforderung angerechnet. Die Folge: Mit einer monatlichen Abzahlung von 400 Mark schafft er es nicht mal, die Zinsen abzugelten. Die Schulden wachsen. Außerdem würden die vielen Gläubiger bei seinem Arbeitgeber auf der Matte stehen, wenn er denn einen fände. Schlechte Voraussetzungen für einen neuen Job.

Für solche Betroffene wäre das neue Insolvenzrecht Licht am Ende des Tunnels. Bis dahin jedoch ist ein weiter Weg. Zu Beginn des Verfahrens müssen die Schuldner nachweisen, daß sie erfolglos eine außergerichtliche Einigung versucht haben. Dann muß der Verpflichtete dem Gericht einen „Schuldenbereinigungsplan“ vorlegen. Stimmt auch hier die Mehrheit der Gläubiger nicht zu, kommt es zum Konkursverfahren.

Danach kann der Schuldner einen Antrag auf Restschuldbefreiung stellen. Nachdem sieben Jahre lang das Arbeitseinkommen gepfändet wurde, können die Restschulden erlassen werden. In diesen sieben Jahren darf kein Gläubiger die Arbeitgeber nerven, kein Inkassobüro drohen.

So weit, so gut. Aber auch so aufwendig: „Schon im gerichtlichen Vorverfahren wird mindestens die Hälfte aller Schuldner scheitern, da sie die ihnen auferlegten Verfahrens- und Treuhänderkosten nicht werden aufbringen können“, bemängelt die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (AgV) in Bonn. Außerdem können Gläubiger schon dann auf Versagung der Restschuldbefreiung drängen, wenn der Schuldner seine „Obliegenheiten" verletzt oder „grob fahrlässig" gehandelt hat. Das ist schon dann der Fall, wenn er nicht jede zumutbare Beschäftigung angenommen oder irgendwann mal unrichtige Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen gemacht hat. Im oft unübersichtlichen Schriftverkehr zwischen Privatschuldnern, Inkassobüros und Banken „passiert das sowieso irgendwann mal bei den meisten Klienten“, mutmaßt Berater Gärtner.

„Es ist besser, sie kommt nicht“, kommentiert daher auch die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung die geplante Regelung, die ihr zu gläubigerfreundlich ist. Unterstützung für diesen Wunsch kommt von den Ländern. „Die Länder befürchten vor allem die zusätzlichen Kosten durch den gerichtlichen Aufwand. Aber nur die Gerichte können die Befugnisse für Insolvenzverfahren haben“, betont Silvia Schuhmacher, Referentin im Bonner Justizministerium. Aus Sorge um die Kosten aber lehnen viele Länder im Bundesrat die neue Regelung ab. Das Gesetz landet jetzt im Vermittlungsausschuß.

Möglicherweise werden den Ländern zum Ausgleich für die Verfahrenswelle Entlastungen durch Neuregelungen bei anderen Zivilverfahren angeboten, heißt es im Justizministerium. Aber nicht nur die Gerichte, auch die Schuldnerberatungen müssen durch das komplizierte Verfahren mit einem neuen Strom von Klienten rechnen. Die Wartezeiten in diesen Beratungen betragen jetzt scnon mehrere Monate.

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