■ Licht & Schatten
: Verstörende Funde

Robert Ballard: „Das Rätsel der Dakar“, Ullstein, 455 Seiten, geb., 44 DM

Warum werden in Schiffen, die vor ein oder zwei Jahren untergegangen sind, keine Leichen oder wenigstens Skelette gefunden? Robert Ballard, Meeresgeologe und Tiefseeforscher, der 1985 das Wrack der „Titanic“ und 1989 das des deutschen Schlachtschiffes „Bismarck“ fand, weiß ganz genau, warum: „Die Nahrungskette“, heißt seine simple Antwort. „Die Natur ist nicht nur erstaunlich erbarmungslos, sondern auch erstaunlich effektiv. Zuerst verschwindet das Fleisch, dann kommen die Knochen dran. Bei der Kleidung dauert es ein paar Jahre länger, aber nach etwa zehn Jahren ist fast alle organische Substanz aus dem Schiff verzehrt. Ausgenommen Lederschuhe. Vielleicht sind die Chemikalien, mit denen Leder gegerbt wird, unverdaulich; jedenfalls liegen immer Schuhe und Stiefel am Fundort eines Wracks, viele, einzeln und in Paaren.“ Mit solch interessanten Informationen angereichert, wurden Ballards Bücher über die Entdeckung und Untersuchung weltbekannter Schiffswracks internationale Bestseller. Da jedoch die Suche nach einem toten Schiff extrem aufwendig und berühmter Tiefseeschrott rar ist, entschloß sich Dr. Ballard zur Fiktion. Mit Hilfe des amerikanischen Journalisten und Romanautors Tony Chiu schrieb er den Technothriller „Das Rätsel der Dakar“ („Bright Shark“). Die beiden spinnen ein durchaus spannendes und glaubwürdiges Seemannsgarn. Die Geschichte spielt im Mai 1988. Ein US-Forschungsschiff untersucht im Mittelmeer, in der Nähe Kretas, den „Hellenican Trench“, einen Tiefseegraben. In 3.750 Meter Tiefe stoßen die beiden Tauchroboter auf das Wrack eines U-Bootes. Edna Haddix, die technische Leiterin der Expedition, funkt einen Bericht nach Washington, und plötzlich bricht die Hölle los. Ein Spezialagent, der neue Chef von Haddix, wird eingeflogen. Als Israel und die Sowjetunion von der Sache Wind bekommen, setzen sie Teile ihr Seestreitkräfte in Marsch. Es kommt zu Sabotage, Erpressung und Mord, denn bei dem Wrack handelt es sich um die „Dakar“, ein vor 20 Jahren verschwundenes israelisches U-Boot mit einer hochbrisanten Fracht. Als die Tauchroboter dann ins Innere des Wracks vordringen, finden sie zunächst einmal Schuhe, viel zu viele davon, und – besonders verwirrend – Kinderschuhe ...

Elmore Leonard: „Alligator“, Goldmann, 315 S., geb., 38DM

Über Elmore Leonard (Jahrgang 1925) ist alles Gute schon gesagt worden. Bücher wie „Stick“, „Glitz“ oder „Freaky Deaky“ sind längst moderne Klassiker des Genres. Seit den 50er Jahren schreibt der Mann jetzt mit schöner Regelmäßigkeit diese irrwitzigen menschlichen Tragikomödien. Sein neuer Roman heißt bei uns blöderweise „Alligator“. Der Originaltitel, „Maximum Bob“, ist viel treffender, denn es geht um Robert Gibbs, den härtesten und gemeinsten Richter im Staate Florida. Den Spitznamen hat er von seinen Angeklagten, weil Bob Gibbs immer die Höchststrafe verhängt. Den jungen Dale Crowe zum Beispiel schickt er wegen eines Bagatelldelikts für fünf Jahre in den Knast. Die streitbare Bewährungshelferin versucht zu intervenieren, was zur Folge hat, daß Richter Gibbs sofort versucht, sie in sein Schlafzimmer zu schleppen. Und dann ist da noch Dales Onkel Elvin, der dem Richter zehn Jahre im härtesten Knast des Landes verdankt und der Maximum Bob jetzt endlich die verdiente Kugel verpassen möchte. Als er sich jedoch daranmacht, die Tat auszuführen, muß er feststellen, daß er nicht der einzige ist. Onkel Elvin zieht eine Nummer und stellt sich geduldig an ... Ein Leonard vom Feinsten, der alte Mann scheint von Jahr zu Jahr besser zu werden.

Scott Smith: „Ein ganz einfacher Plan“, Blanvalet, 410 Seiten, geb., 39,80 DM

Der Debütroman von Scott Smith (geboren 1965) fängt an wie hundert andere: Drei Männer finden einen Haufen geklautes Geld. In diesem Fall sind es über vier Millionen Dollar in einem Flugzeugwrack. Zwei sagen „toll, behalten wir, endlich ausgesorgt“, der eine meint „nein, auf keinen Fall, das melden wir der Polizei“. Das alte Klischee, denkt der erfahrene Krimileser, Zufall und Schicksal, Verantwortung und Sühne etc. etc. Und doch läuft alles ganz anders. Natürlich behalten die drei das Geld, aber es tauchen eben keine Gangster auf, die nach ihrer Beute suchen, und auch die Staatsgewalt kommt den unehrlichen Findern nicht auf die Schliche. Scott Smith konzentriert sich im Gegenteil ganz auf die Männer und ihre Frauen und darauf, wie das Geld, das sie zwar besitzen, von dem sie aber nichts ausgeben können, sie allmählich verändert, bis es schließlich zur unausweichlichen Katastrophe kommt. Smith spielt, stilistisch hochrangig, mit einem klassischen Krimithema und verpaßt ihm ganz nebenbei eine völlig neue Wendung. Karl Wegmann

In dieser Kolumne werden in Zukunft regelmäßig neue Krimis vorgestellt.