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Die Enten-Macher

■ Zwei Berliner Autoren leimen immer wieder die Presse

Freitag nachmittag 14.40 Uhr. Das taz-Fax spuckt eine Spiegel- Vorabmeldung aus. Richard von Weizsäcker soll demnächst eine Talk-Show auf RTL moderieren. Layout und Sprachduktus sind ganz wie beim Hamburger Nachrichtenmagazin; allein die Geschichte ist tolldreist: Da wird von einem privaten Treffen zwischen Thoma und Weizsäcker berichtet. Dabei habe der RTL-Boß „selbst Hand an den Herd gelegt, um seinem adeligen Kostgänger delikate Deftspeisen zu kredenzen“. Beim abschließenden Marillenschnaps sei man dann rasch handelseinig geworden. „Palais Weizsäcker“, so wußte der Artikel zu berichten, laufe ab September jeden Sonntag auf RTL. Die Liste der vorgesehenen Gäste lese sich wie der Gotha: Fürst von Sayn-Wittgenstein, Freiheer von Heeremann und Graf Matuschka seien dabei. Auch die ersten Themen stünden schon fest, darunter: „Medien und Menschlichkeit – Müssen Nachrichten grausam sein?“ und „Humor in Deutschland – Gibt es ihn?“.

Das Fax ging nicht nur an die taz, sondern an viele deutsche Zeitungen. Eine davon, die Berliner Morgenpost, langte beherzt zu und brachte die Meldung in ihrer Samstagsausgabe auf Seite eins (siehe Ausriß). Doch schon am Sonntag zog die Springersche Hauptstadt- Gazette kleinlaut zurück: Man sei einer Fälschung aufgesessen. Richie höchstpersönlich grollte humorlos: Von allen politischen Märchen sei dies das am schlechtesten erfundene.

Hier irrt der Mann. Hinter dem Artikel stecken die zwei Berliner Autoren Thomas Platt (42) und Julius Grützke (29), erfahrene Enten-Macher, die ihre gezielten Fakes schon mehrmals erfolgreich lanciert haben. Die taz konnte einen der Fälscher dingfest machen und wagte ein Interview.

taz: Ist das jetzt überhaupt ein echtes Interview oder schon wieder eine Ente?

Thomas Platt: (lacht) Ich habe immer eine im Rohr.

Wieviel Enten habt Ihr in eurer Fälscherkarriere denn schon zubereitet?

Die erste Ente, die ich gemacht habe, war ein gefälschter Suhrkamp-Katalog zur Buchmesse. Darin wurde eine „Edition Sual“ angekündigt, eine Kooperation von Suhrkamp und Aldi, nach dem Motto: „Wenn der Leser nicht zum guten Buch kommt, muß das gute Buch zum Leser kommen.“ Dann haben wir die Geschichte mit dem Bundeswehrleutnant gemacht, der das geschlossene Schiller Theater als „Deutsches Wehrtheater“ übernehmen wollte. Auch die Ankündigung der premiere-Live- Übertragung von der Geburt von Boris Beckers Kind war von uns. Der letzte Fake war die Meldung, daß Volker Schlöndorff in Babelsberg das Leben von Eva Braun verfilmt. Filmtitel: „Glowing in the Dark“.

Was macht eine gute Ente aus?

Das ist Handwerk. Man muß seinem Affen Zucker geben. Wir stellen uns die Figuren vor: Wie sieht die Nase aus, die jetzt da sitzen muß und das schreibt. Der Spiegel-Stil zum Beispiel ist eigentlich sehr einfach nachzuahmen. Das ist so ein kontrolliertes Über- die-Stränge-Schlagen. Das ist ja kein Blatt fürs Subtile.

Was hat der „Spiegel“ zu eurem Artikel gesagt?

Gleich am Freitag abend rief der Chefredakteur, Dr. Kaden, hier an. Er war sehr nett, hat souverän und belustigt reagiert. Er erzählte, der Helmut Markwort (der Chef vom Konkurrenzblatt Focus, d. Red.) habe ihn angerufen. Wir hatten Focus ein Fax mit der Kennung des Spiegel-Druckhauses in Itzehoe geschickt und draufgeschrieben: „Hallo Uli, das wird Euch interessieren, Dein Ischi.“ Markwort glaubte offensichtlich, jetzt einen Maulwurf beim Spiegel zu haben. Auf jeden Fall rief er Kaden an, um ihm zu gratulieren, daß der Spiegel das Thema im Heft hat, und Focus nicht. Das nur als kleiner Scherz am Rande.

Was empfehlt Ihr den LeserInnen von so gutgläubigen Zeitungen wie der „Berliner Morgenpost“?

So ein Fake ist ja mit dem nächsten Tag mehr oder minder vergessen. Die eigentliche Wirkung beginnt, wenn die Fälschung auffliegt, wenn Leute wie Ihr was darüber machen.

Wer ist denn außer uns sonst noch alles auf die Geschichte angesprungen?

Der Stern, RTL, die Münchner tz, die Berliner Zeitung...

Gute Ausbeute. Ihr unterwandert die Presse mit ihren eigenen Mitteln.

Satire ist immer auch ein bißchen Sabotage. Ich will nicht sagen: subversiv, das ist abgegriffen. Aber man kann so was nur machen, wenn man sich selber an was stört. Ob das der deutsche Kulturnationalismus ist, wie bei der Geschichte mit Schlöndorff, oder die neuen Ambitionen der Bundeswehr beim Wehrtheater. Hier bei der Weizsäcker-Nummer kann man begreifen lernen, daß der Spiegel keine heilige Kuh ist, die man anbeten muß. Das gilt gerade für die Journalisten. Im übrigen finde ich, daß auch der Spiegel insgesamt wieder besser werden könnte.

Habt Ihr so was wie eine eigene „Fake-Philosophie“?

Wir machen es ja nicht hauptberuflich. Ich schreibe sonst Drehbücher, Restaurantführer und so. Ich möchte nicht in der Haut eines Titanic-Redakteurs stecken, der jeden Monat aufs neue des Widerspruchs Herr werden muß, daß Satire eigentlich doch nur zu Anlässen geht. Ein Satireblatt ist der einzige Platz, wo man Satire eigentlich nicht unterbringen kann. Die sind traurig dran.

Wir haben keine hehren Ziele. Es gibt sicher Dinge, über die ich mich mehr aufregen kann, aber über die könnte ich keine Satire machen. Auch das Medium selbst hat seine Grenzen. Interview: Martin Muser

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