In höheren Sphären

Pete Sampras erhält beim World-Team-Cup eine fast metaphysische Stellung  ■ Aus Düsseldorf Markus Götting

Unbesiegbar? Schafft er den Grand-Slam? Pete Sampras lächelt nur müde wie ein Schuljunge nach der sechsten Stunde: „Daran verschwende ich noch keinen Gedanken, zumal mein Spiel auf Asche noch nicht perfekt ist.“ Bescheiden und unverbindlich. Wie gewöhnlich. Die racketschwingenden Kollegen beim World-Team-Cup aber blicken in devoter Bewunderung zu ihm auf, Jewgeni Kavelnikov versetzte nach seiner 3:6, 3:6-Klatsche den 22jährigen gar in eine beinahe metaphysische Position: „Manchmal macht er sogar solche Fehler wie wir.“

Daß die Nummer 21 der Weltrangliste solcherlei Understatement pflegt, ist keineswegs erstaunlich, denn der amerikanische ATP-Primus bewegt sich mit der leichtfüßig-sanften Eleganz eines Tänzers in dem sandroten Viereck, schrubbt bei seinen High-Speed- Aufschlägen (damit ruinierte er sogar die elektronische Geschwindigkeitsanzeige) den Filz von den gelben Kugeln und verbindet dies mit einer Ästhetik, die das Rumsbums seiner Landsmänner Jim Courier und Andre Agassi zum hirnlosen Hau-den-Lukas-Spektakel degradiert. 27 Matches in Folge unbesiegt: Dem Günstling des Tennisgottes gelingt derzeit einfach alles – vielleicht sollte er mal versuchen, Stroh zu Gold zu spinnen.

Wenn's denn mal nicht so läuft, wie bei einem Break im ersten Satz gegen Kavelnikov, hat das Material versagt – es riß eine Saite. Was wiederum TV-Kommentator Rainer Deike zu einem lyrischen Höhenflug veranlaßte. „Sein Schläger hatte kein Leben mehr“, philosofaselte der ZDF-Mann entschuldigend über die Materie.

Das anschließende Gelächter unter den JournalistInnen wurde nur noch übertroffen, als ein WDR-Mitarbeiter zum 143. Mal die Spieler nach deren „mentalem Trainingsprogramm“ ausquetschte und jene achselzuckend antworteten: „Warum? Ich gehe halt auf den Platz und schlage gegen den Ball.“

Aber auch solche Fragen werden alsbald verziehen, denn man gibt sich betont locker hier im Düsseldorfer Rochusclub, wo die Sonne so herrlich scheint und den Teamgeist der sonst so egoman Gesinnten vitalisiert. Michael Stich, immer noch haßerfüllt beim Gedanken an die Hexe, die vergangene Woche in Rom seinen Rücken unter Beschuß nahm, feuert fleißig Newcomer Bernd Karbacher an, so daß selbst Ruhrpott- Kumpel Carsten Braasch nicht die beleidigte Currywurst mimen will und sich mit seinem Ersatzspielerdasein zufriedengibt.

Abgesehen von der intensiven Vorbereitung auf die am Montag beginnenden French Open geht's hier nicht um besonders viel. Da kann es sich Sweden-sweety Stefan Edberg, der permanent vor zwölfjährigen Blagen fliehen muß, auch leisten, mit einer kreuzerbärmlichen Vorstellung gegen den Tschechen Petr Korda bereits nach einer Stunde sein Arbeitsgerät zusammenzupacken, denn fürs Doppel besitzen die Skandinavier mit Jan Apell und Jonas Björkmann ein juvenil-dynamisches Spezialistenduo.

Locker relaxen will Pete Sampras und hat dazu die nötige Ruhe: Alle zwei Tage ein Spielchen – das isses. Daß er seine Freizeit „auf der gemütlichen Anlage verbringen“ wolle, entlockte den Augen der Organisatoren ein freudiges Funkeln, sind diese doch so sehr im fishing for compliments bemüht, daß die Spieler sich stets überschwängliches Lob über die „tolle Atmosphäre“ herausquälen.

Aber tatsächlich: Bei Lachsbrötchen mit Schampus oder Bratwurst mit Altbier entwickelt sich ein fröhliches „Familienfest“, wie Kollegin Judith Elian von der französischen Sportgazette L'Equipe schwärmerisch die Turnierwoche beschreibt. Und die Jugend- und Kinderfreundlichkeit dokumentiert sich eben nicht ausschließlich in den Bafög-Preisen für die Stehplatzkarten. War doch der ansonsten so aussagenentsorgten Flut von buntbedruckten Presseinformationen (ein echter Öko-Vandalismus) zu entnehmen, daß Mutti Korda mit ihren beiden Hosenscheißerchen bereits den flammneuen Babywickelraum eingeweiht hat.

World-Team-Cup, Blaue Gruppe: Deutschland – Frankreich 2:1: Karbacher – Boetsch 2:6, 6:4, 6:2; Stich – Pioline 6:4, 2:6, 6:2; Kühnen/Bernd Karbacher – Boetsch/ Delaitre 4:6, 2:6; USA – Rußland 3:0: Chang – Wolkow 6:4, 7:5; Sampras – Kafelnikow 6:3, 6:3; P.McEnroe/Reneberg – Wolkow/ Olchowski 6:7 (5:7), 6:4, 6:4; Tabelle: 1. USA 3:0 Siege, Deutschland 2:1, 3. Frankreich 1:2, Rußland 0:3;

Rote Gruppe: Schweden – Tschechische Republik 2:1: Edberg – Korda 1:6, 4:6; Gustafsson – Novacek 6:2, 7:5; Björkman/Apell – Korda/Damm 6:4, 6:2; Australien – Spanien 1:2: Masur – Bruguera 3:6, 6:7 (3:7); Woodforde – Costa 4:6, 2:6; Woodforde/Masur – Carbonell/Bruguera 5:7, 6:3, 6:3; Tabelle: 1. Spanien 2:1, Schweden 2:1 3. Tschechische Republik 1:2, Australien 1:2