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Nostalgie nach der First Lady in Pastell Von Andrea Böhm

Es stand an ihrem Todestag in der Washington Post: „Wenn Sie Auszüge von Interviews mit Jaqueline Kennedy-Onassis im Original hören wollen, wählen Sie ganz einfach die Nummer 334-9000.“ Um ganz ehrlich zu sein: Ich war eigentlich nie ein besonderer Fan des Kennedy-Klans, aber ihr Tod ging mir trotzdem irgendwie nahe. Sie war gerade mal 64 Jahre alt und dann dieser gottverdammte Krebs. Also wählte ich 334-9000 und lauschte einer Weile diesem seltsam monotonen Singsang ihrer Stimme.

Doch der Anruf wäre allerdings nicht nötig gewesen, denn in den folgenden Tagen und Nächten präsentierten alle Fernsehkanäle eine Retrospektive nach der anderen und buddelten alte Filme über die glücklichen Zeiten der First Family im Weißen Haus hervor.

Die KommentatorInnen gerieten dabei noch einmal in Verzückung über ihr überragendes Talent als Innenarchitektin, ihren Modegeschmack, ihr wunderbar ladyhaftes Auftreten, das ihr doch schließlich, alles in allem, den Rang einer Quasi-Königin der Vereinigten Staaten von Amerika eingebracht hatte.

An diesem Punkt begann ich, die medialen Trauerfeierlichkeiten etwas befremdlich zu finden. Sehen wir mal davon ab, daß der Familienalltag im Weißen Haus auch zu Lebzeiten des Präsidenten so glücklich auch wieder nicht war. John F. Kennedy pflegte die männliche Version der Nymphomanie und beschäftigte auf Reisen eine Reihe seiner Sicherheitsbeamten mit nichts anderem, als seine One- Night-Stands zu organisieren. Irgendwann soll Jackie sogar Marilyn Monroe vorgeschlagen haben, auch den Tagespart der First Lady zu übernehmen. Nur kam es im Gegensatz zur Clinton-Ära damals keinem Journalisten in den Sinn, über die zweifelhaften family values des John F. Kennedy zu schreiben. Sehen wir außerdem davon ab, daß viele, die heute ihre ehrerbietigen Nachrufe schreiben, Gift und Galle gespuckt haben, als Jackie Kennedy im Jahr 1968 den greisen Reederei-Magnaten Aristoteles Onassis heiratete.

Viel interessanter als die Vergangenheitskosmetik ist diese vorbehaltlose Sehnsucht der amerikanischen Medien nach alten Zeiten und Verhältnissen, als die First Lady sich um nichts anderes kümmerte als um die Kinder, das Tapetenmuster im Oval Office und die Anordnung der Kronleuchter.

Folglich taucht der Verdacht auf, daß, bei allem ernstgemeinten Respekt für Jackie Kennedy, die Lobeshymnen auf die Präsidentengattin aus den sechziger Jahren eine erste Abrechnung mit der Präsidentengattin der neunziger Jahre ist: Hillary Clinton, die sich nicht nur um die Anordnung der Kronleuchter, sondern auch um die Gesundheitsreform kümmert; Hillary Clinton, deren Tochter bei Problemen in der Schule ihrem Direktor mitteilt: „Meine Mutter ist zu beschäftigt; reden Sie lieber mit meinem Vater.“

Hillary Clinton, die meistens sehr viel kohärenter redet und handelt als ihr Gatte und manchmal sehr viel arroganter auftreten kann, weswegen ihr die Presse alle möglichen Etiketten aufgeklebt hat: „Jeanne d'Arc“ in guten Zeiten, „Lady Macbeth“ oder „Lenin im Rock“ in schlechten Zeiten. Momentan herrschen schlechte Zeiten für Hillary Clinton – und da erscheinen die alten Zeiten immer in strahlendem Licht.

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