Olivgrün und kackbraun – igitt, ein Lüpertz

■ Martialische Tafelbilder, Reliefs und Drucke von Markus Lüpertz in der Weserburg

Um ein Haar wären seine Bilder voller Militaria-Motive wieder abgehängt worden – damals auf der ersten Ausstellung in Köln, 1973. Heute regt sich kaum noch jemand auf über die Bilder des Düsseldorfer Kunstakademieleiters Markus Lüpertz. Schön findet sie aber wohl noch immer keiner: diese angeschmuddelten Kunstwerke mit ihren dumpfen Farben, am liebsten olivgrün und kackbraun, diese vorzugsweise militärischen Motive (leere Uniformen mit Offiziersmützen obendrauf). Solch eine Larve auf braunem Grund nennt sich dann „Zyklop“ und hängt derzeit wandhoch gleich in dreifacher Ausfertigung im Museum Weserburg. Selbstinterpretation Lüpertz: Es gehe ihm um Rausch und ekstatische Entrückung.

„Aber es geht doch gar nicht um die Motive, es geht um die Art der Malerei“, sagt die Museumspädagogin Christine Breyhan. Und diese Art ist zu Zeiten von Konzeptkunst und Minimal-Art geradezu anachronistisch: Da pflegt einer im ausgehenden 20. Jahrhundert noch die Tafelbild-Malerei (wo Sol LeWitt zum Beispiel nur noch auf Mauern malt), da setzt einer in uralter Maltechnik Glanzlichter (!) mit Gelb und Weiß auf Mützenrand und Uniformknöpfe.

Es lebe die Malerei. Lüpertz will sie monumental, auratisch, pathetisch – mindestens festlich. Bloß nicht alltäglich. Warum er dazu unbedingt Militärmäntel und Schlachthelme braucht, wenn er doch eigentlich das Motiv zum Verschwinden bringen will hinter der Malweise? Nun, gibt die Museums-Pädagogin zu bedenken, Lüpertz nimmt sich durchaus auch Dachpfannen und Spargelfelder vor, eben alles, was ihm gerade Spaß macht. „Sozial kalt“ hat ihn ein Kunstkritiker mal genannt.

Trotz Militaria: ein tumber Geschichtsverherrlicher ist Lüpertz nicht. Wer in den großen Räumen der Weserburg zehn Schritte zurücktritt, dem kippen die drei „Zyklopen“ irgendwann ins Lächerliche: Was haben die da eigentlich im Maul, zwischen Offiziersmütze und Rüstungsrand – einen Lippenpflock, eine Schallplatte, einen Teller? Und was für schmale Schülterchen doch in der Uniform stecken! Und überhaupt: drei Angeber nebeneinander, keiner schöner als der andere. Das ist dann höchstens noch ein reflektiertes Pathos.

So inszeniert wie das gesamte Auftreten des Künstlers: einst stolzierte er als Machomann in Leder und mit üppig beringten Fingern durch die Szene, heute, 53jährig, hält er Hof als Malerfürst mit Einstecktuch und Silberknaufstock; gern zusammen mit dem Sammler und Baulöwen Grothe, der sich nicht mit Einzelkäufen aufhält, sondern ganze Serien aufkauft – wie etwa die drei Lüpertzschen „Zyklopen“.

Monumental und martialisch mag es Lüpertz auch heute noch, 1994: Brachial zum Beispiel schürft er aus Holzstöcken riesige Holzschnitte. Und reiht sich damit in die urdeutsche Tradition des Holzschnitts (Dürer bis Dix und Beckmann). Doch trotz der weiterhin großartigen Gesten werden die Werke allmählich witziger: wie der Kopf des Grals-Ritters Parzival, der auf acht Drucken nur immer noch dämlicher grinst. So gar nicht heroisch. Titel: „Männer ohne Frauen“.

Vollends rührend – wer hätte das je gedacht – muten die „Totentanz“-Friese vom Anfang dieses Jahres an. Eigentlich ein Schock für KunstliebhaberInnen: Bronze mit Ton beklatscht! Und dann der Ton auch noch bemalt! Welch Bemühen um Geheimnis aber steckt darin. Zu sehen sind auf den fünf Tafeln fünf Menschen mit je einer Amphore. Die erste Figur legt die Hände zufrieden um den behäbigen Kannenbauch. Die letzte steckt als Skelett in der Urnen-Amphore. Neben sich eine Sonnenblume. Schmutzig-gelb. Aber immerhin gelb.

Christine Holch

bis 11.9., Weserburg/Teerhof