: Deutsche Physiker betteln um Waffenuran
■ Die US-amerikanische Atombehörde will Uranlieferungen für den geplanten Forschungsreaktor in Garching verhindern / Auch Rußland winkt ab
Bonn (dpa) – Jetzt geben es auch das Forschungsministerium und das Auswärtige Amt zu: Die US-Amerikaner haben Bedenken gegen die Verwendung von waffenfähigem Uran im geplanten Forschungsreaktor in Garching bei München. Wie die taz berichtete (26. Mai), ist es den Forschern der Technischen Universität München nicht gelungen, das Spaltmaterial in Rußland und Großbritannien einzukaufen, weil die US-Administration vorher Unterlassungsabsprachen mit den dortigen Regierungen unter Dach und Fach gebracht hatte. Auch in Frankreich, dem dritten potentiellen Lieferland, sind die Amerikaner schon vorstellig geworden.
Der Sprecher des Forschungsministeriums behauptete gestern erneut, zunächst stehe entsprechend angereichertes Uran zur Verfügung, das ursprünglich für den inzwischen stillgelegten THTR-Reaktor in Hamm-Uentrop bestimmt war. Es reiche für acht bis zehn Jahre aus. Als nicht zutreffend wies er Darstellungen von Physikern zurück, das THTR- Material sei zweckbestimmt und dürfe nicht anders verwendet werden. Außerdem könne im Bedarfsfall hochangereichertes Uran von Euratom-Partnern bezogen werden, beruhigte der Sprecher die Wissenschaftler in München.
Wer das waffenfähige Material liefern sollte, mochte der Sprecher jedoch nicht erläutern. Das Forschungsministerium befürwortet nach seinen Angaben weiterhin das Projekt, für das rund 180 Millionen Mark Fördermittel eingeplant sind. Es gebe derzeit keinen Anlaß, davon abzugehen, befand er.
Doch das Forschungsministerium steht mit dieser Meinung inzwischen ziemlich alleine da. Auch der wissenschaftspolitische Experte der SPD-Bundestagsfraktion, Wolf-Michael Catenhusen, bezweifelte gestern öffentlich, daß die Versorgung des Forschungsreaktor gesichert sei. Außerdem wiesen mehrere Sozialdemokraten darauf hin, daß sich Deutschland mit diesem Vorhaben gegen internationale Bestrebungen stelle, den Einsatz von atomwaffenfähigem Uran in Forschungsreaktoren zu unterbinden. Für wissenschaftliche Zwecke der Neutronenforschung sei die Verwendung dieses Materials nicht erforderlich, und wie sich gezeigt habe, sei das Material auch nicht zu beschaffen.
Mehr als fünfzig Physiker hatten schon am Mittwoch gegen das inzwischen 700 Millionen Mark teure Projekt protestiert und darauf verwiesen, daß die Arbeiten auch mit niedrig angereichertem Uran betrieben werden könnten. Außerdem stehe die deutsch-französische Anlage Grenoble zur Verfügung, die nur zu 60 Prozent ausgelastet sei.
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