: Lufthansa: Macht Berliner Airports zu!
■ In der Hauptstadt bricht die Flughafenplanung zusammen / Nun droht Berliner Parlament mit Untersuchungsausschuß
Berlin (taz) – Berlins Lufthansa- Chef Manfred Reimer versuchte, von einem Flughafen zum anderen zu kommen. Mit dem Check-out in Tegel, der verstopften Autobahn und den Kontrollen auf dem Airport Schönefeld am anderen Ende der Hauptstadt benötigte der „Regionaldirektor für Berlin und Deutschland Ost“ drei Stunden. „In Berlin wird bald kein Passagier mehr umsteigen“, wetterte er in der vergangenen Woche gegen die Politik des Berliner Senats. Die in der Millionen-Metropole vertretenen Airlines drängen auf eine unkonventionelle Lösung der Berliner Luftverkehrsprobleme. „Je mehr Flughäfen wir schließen, desto besser“, meinte Lufthansa- Chef Reimer. Den Journalisten im Partykeller am Ku'damm war klar, welche Airports gemeint waren: Der überlastete Flughafen Tegel kann nicht vergrößert werden und der Flugplatz Tempelhof mitten in der Stadt ist zu gefährlich. Das zur Zeit in Tegel und Schönefeld getrennt betriebene Linien- und Charter-Angebot könnte folglich nur auf dem am Stadtrand gelegenen ehemaligen DDR-Flughafen Schönefeld gemeinsam bedient werden. Nur dort ist Platz für neue Terminals und Rollfelder.
Dieser Vorschlag ist nicht nur unkonventionell. Er ist auch brisant. Die gesamte Luftverkehrspolitik der Regierungen von Berlin und Brandenburg käme durcheinander.
Denn Senat wie Ampel-Koalition favorisieren seit rund vier Jahren einen völlig neuen Großflughafen im Süden außerhalb der Stadt. 2004 sollte der „Flughafen Berlin-International“ in Betrieb gehen, die heutigen drei Flughäfen Tegel, Tempelhof und Schönefeld wären geschlossen worden. Im Jahr 2010 sollten 40 Millionen Passagiere – viermal so viele wie heute – abgefertigt werden. 20 Milliarden Mark soll das Projekt kosten, das der Region angeblich 100.000 Arbeitsplätze bringt.
Doch vorerst verhinderte diese in der Wiedervereinigungseuphorie geborene Idee vor allem eine Verbesserung des unbefriedigenden Status quo. Denn damit bei der jahrelangen Suche nach einem Standort für „Berlin-International“ keine neugeschaffenen Fakten das Ergebnis vorwegnehmen, haben Berlin und Brandenburg eine Erweiterung Schönefelds seit Maueröffnung verhindert. Nicht einmal Bahnverbindungen oder Straßenanschlüsse wurden wesentlich – wenn überhaupt – verbessert. Noch immer soll in Schönefeld, wo gerade die Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) stattfindet, steigenden Passagierzahlen mit provisorischen Bauten begegnet werden.
Bei ihrem Besuch der Luftfahrtschau haben aber selbst Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) und Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen bemerkt, daß in der Hauptstadt der Luftverkehr in eine Sackgasse zu fliegen droht. Zwischen Militär-Jets und Prominenz sprachen sich beide am Wochenende für einen Großflughafen „Schönefeld-Süd“ aus. Der jetzige Flugplatz würde in den Süden erweitert. Vorteil: Ein sukzessiver Ausbau wäre möglich.
Nach dem Vereinigungs-Kater glaubt nämlich niemand mehr an 40 Millionen Passagiere, für die ohnehin Schönefeld genügen würde. In einem von Berliner Senatsverwaltungen und der Berlin-Brandenburger Flughafen-Holding (BBF) zurückgehaltenen Gutachten wird inzwischen ebenfalls ein „stadtnaher Standort“ aus ökonomischen Gründen favorisiert. Die Experten von Arthur D. Little (ADL) und dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) rechnen bei einem stadtfernen Standort nur noch mit 17.000 Arbeitsplätzen. Das Gutachten ist Senat und BBF unangenehm, weil offiziell das Brandenburger Umweltministerium noch den günstigsten von drei Standorten für den neuen Großflughafen ermittelt.
Auf den Senat ist aber nicht nur die Lufthansa nicht gut zu sprechen. Auch das Berliner Parlament ist verärgert. Aufgrund des verheimlichten Gutachtens fühlen sich Abgeordnete durch „Manipulationsversuche“ ausgetrickst. Zu allem Überfluß droht dem Senat nun auch noch ein Untersuchungsausschuß. Denn Ende vergangenen Jahres war bekanntgeworden, daß die BBF bei Schönefeld 118 Hektar Ackerland völlig überteuert angekauft hatte. Laut eines Londoner Gutachtens droht der Holding deshalb bis 1997 ein Verlust von 900 Millionen Mark. Doch auf eine Große Anfrage der Grünen vor zwei Wochen wollte oder konnte Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) zu dem bislang teuersten Skandal unter der Großen Koalition nichts sagen. Der Drohung der Grünen, einen Untersuchungsausschuß einzurichten, schlossen sich SPD-Abgeordnete an.
Neue Erkenntnisse über die Spekulations-Affaire erhofft sich das Parlament vom Rechnungshof, der die Sache prüft. Hinter den Kulissen wird schon gewitzelt, daß nicht mehr die Gesellschafter der BBF (Berlin, Brandenburg, Bund), sondern märkischer Sand die Standortfrage entscheidet. Der nutzlose Acker werde wertvoll, wenn Schönefeld neuer Großflughafen wird, Verluste würden gemindert oder ganz abgewendet. Berlins gesamter Luftverkehr könnte schon innerhalb kurzer Zeit in Schönefeld statt auf drei Airports landen. Und Lufthansa- Chef Reimer könnte unkompliziert umsteigen – ohne Check-out, Check-in und Stau auf der Stadtautobahn. Dirk Wildt
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