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Berliner Frauenkasse in Geldnöten

■ Fonds für schwangere Frauen in Not nur noch kurze Zeit gesichert / 60.000 Mark sind noch im Topf / Senat: Unterstützung kommt nicht in Frage / Bisher 463 Abtreibungen finanziert

Von Anja Nitzsche

Am 16. Juni vergangenen Jahres erreichte sie der erste Notruf: die Berliner Frauenkasse, ein Notfonds für in Schwangerschaftskonflikte geratene Frauen. Auf der Protestdemo nach dem Karlsruher Urteil zur Neufassung des Paragraphen 218 spontan von sechs Frauen aus der Taufe gehoben, hat die Frauenkasse bisher 463 Frauen die Abtreibung finanziert. „Uns geht es darum, schnell und unbürokratisch Hilfe zu leisten“, erklärt Ika Klar, eine der Initiatorinnen. Allerdings ist die Finanzierung des Projektes, das ausschließlich mit Spendenmitteln arbeitet, nur noch für kurze Zeit gesichert. 60.000 Mark stehen von ursprünglich 300.000 noch zur Verfügung. „Eine finanzielle Unterstützung durch die Sozialverwaltung kommt aber nicht in Frage“, erklärt deren Sprecher Wolfgang Zügel.

Vor allem Berlinerinnen, aber auch Frauen aus dem Bundesgebiet haben die Unterstützung der Kasse bisher in Anspruch genommen. Eine 14jährige Schülerin beispielsweise, die ihren Eltern ihre Schwangerschaft verschweigen wollte, eine Amerikanerin, die sich in Berlin verführen ließ, oder Frauen, die Angst vor ihrem Partner haben. 420 Mark erhalten die Betroffenen – gemäß der kassenärztlichen Vereinbarung über die Kosten eines Schwangerschaftsabbruches. Mit bisher 77 Arztpraxen arbeitet die Frauenkasse zusammen, darunter auch sieben Krankenhäuser in den neuen Bundesländern. Die Abrechnung läuft direkt über die Ärzte, so daß den Frauen keinerlei finanzieller oder bürokratischer Aufwand entsteht. Nur in den Fällen, in denen sich die Ärzte nicht an die vorgeschriebenen Abrechnungssätze halten, müssen die Frauen draufzahlen.

„Aber bis auf ein paar schwarze Schafe in Berlin nehmen die Ärzte nur den vorgesehenen Betrag für eine Abtreibung“, erklärt Ika Klar. „Wir wollen den Frauen vor allem den entwürdigenden Gang zum Sozialamt ersparen. Immerhin müssen sie dort, um die Abtreibung finanziert zu bekommen, einen Antrag auf Sozialhilfe stellen.“ Hinzu kommt noch, daß nach wie vor unterschiedliche Sozialhilfesätze in Ost- und Westberlin gelten. Diesen Unterschied negiert die Frauenkasse, denn auch so ist die Einkommensgrenze von 1.450 Mark denkbar niedrig.

Die Sozialverwaltung hat seit Anfang Februar mit den Krankenkassen eine Regelung zur Ausstellung der Übernahmebescheinigung ausgehandelt. Der Antrag auf Zahlung durch das Sozialamt kann jetzt auch dort gestellt werden. Das ist allerdings keine Lösung für die Frauen, die über ihren Partner oder familienversichert sind. Sie können keine eigene Entscheidung treffen, sind auf das Einverständnis anderer angewiesen.

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